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Schritt halten

»Das Leben gehört uns« von Valérie Donzellis

  • Marika Bent
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Film dürfte all jenen gefallen, die das französische Kino für die Leichtigkeit lieben, mit der selbst die schlimmen Dinge des Lebens erzählt werden können. »La guerre est déclarée« (Der Krieg ist erklärt) heißt er im französischen Original. Krieg führt ein junges Paar gegen die Krebserkrankung ihres kleinen Sohnes. Dem deutschen Verleiher war der ursprüngliche Titel wohl zu bellizistisch, weshalb der Film hierzulande »Das Leben gehört uns« heißt. Die Wahl ist nachvollziehbar, denn der Tod klopft in dieser Geschichte zwar sehr laut an die Tür, doch die Protagonisten lassen ihn draußen stehen, drehen drinnen die Musik auf und feiern das Leben.

Es beginnt mit einer Party. Ein junger Mann (Jérémie Elkaïm) sieht eine junge Frau (Valérie Donzelli). Der Blitz der Liebe schlägt ein. »Ich heiße Roméo«, stellt er sich vor. »Das ist jetzt nicht wahr«, antwortet sie, die Juliette heißt. »Dann haben wir beide ein schweres Schicksal vor uns«, prophezeien sie einander lachend und küssen sich innig. Danach fängt sich Juliette eine Ohrfeige ihres Freundes ein, der mit dem Kuss zum Ex wurde. Der Film ist noch keine zwei Minuten alt, da weiß der Zuschauer schon, dass er es hier mit einem ganz besonderen Paar zu tun hat.

Wir sehen Juliette und Roméo durch Paris tollen. In gekonnter Raffung eilt der Film durch die ersten Monate ihrer Liebe. Schließlich ist Juliette schwanger. Adam kommt zur Welt. Ihr erstes Menschlein stellt die beiden auf die üblichen Proben - Schlaflosigkeit und die neue Verantwortung gehen auf Kosten der gewohnten Lebens- und Liebeslust. Doch hinzukommt zunehmend auch ängstliche Ratlosigkeit. Adam übergibt sich, sein Gesicht ist asymmetrisch, er lernt nicht laufen. Bilder von unkontrolliertem Zellwachstum kündigen die Krankheit an, noch bevor die Diagnose Gehirntumor gestellt ist. Das schwere Schicksal, nun ist es da.

Will man so einen Film sehen? Ja, unbedingt, denn Hauptdarstellerin und Regisseurin Valérie Donzelli verfilmt keine Anamnese, sondern erzählt die Geschichte zweier Liebender, die schließlich über die Krankheit triumphieren können und dafür ihre Beziehung opfern. - Die beiden Hauptdarsteller schöpften aus ihrer eigenen Biografie. Im wahren Leben waren Valérie Donzelli und Jérémie Elkaïm ein Paar. Ihr Sohn Gabriel erkrankte schwer. Sie kämpften um ihn und gewannen. Dieser Kampf, so erzählen sie im Gespräch, verbindet sie auf ewig, auch wenn sie heute nicht mehr zusammen sind.

»Warum wir? Warum Adam«, fragt Roméo/ Elkaïm im Film. »Weil wir das schaffen können«, antwortet Juliette/ Donzelli. Die Verantwortung für das schwere Schicksal delegieren sie an keine höhere Macht. Sie schöpfen die Antwort aus sich selbst. Die Aktion ist ihnen lieber als die Reaktion. Aus diesem Grund ähnelt »Das Leben gehört uns« auch eher einem Actionfilm. Schnelle Musik - Vivaldi, Delerue, Punk-Rock - dominiert. Es wird viel gerannt, durch Krankenhausflure, durch die Straßen und Parks von Paris. Der Dauerlauf ist ein Hauptmotiv. Aber hier läuft niemand davon. Es geht nicht um Flucht, sondern vielmehr darum, Schritt zu halten in einem Moment, da sich die Ereignisse überschlagen.

Eine letzte Wunderbarkeit dieses hochriskanten Films, der gnadenlos hätte scheitern können: In vielem erinnert er an die Filmkunst eines François Truffaut. Vom lakonischen Off-Kommentar, den eleganten Raffungen, der Iris-Blende, bis hin zur Schlussszene am Meer, die an »Sie küssten und sie schlugen ihn« denken lässt. Valérie Donzelli bereitete die Dreharbeiten in den Räumen von Truffauts Produktionsfirma in Paris vor. Das sei purer Zufall gewesen, sagt Donzelli, die keine bewusste Affinität zu Truffaut pflegt. Ein guter Geist wohnt dennoch in ihrem Film.

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