Für eine Handvoll Euro

  • Jörg Meyer
  • Lesedauer: 2 Min.

Nachdem gestern morgen bekannt wurde, dass eine Anwältin des insolventen Drogerieriesen Schlecker zwei Beschäftigten in ihrem Kündigungsschutzverfahren 500 Euro Abfindung angeboten hatte, schlugen die Wogen hoch. Ja, sagte die Anwältin, das sei im Rahmen eines Leitfadens geschehen und solle so bei allen Schlecker-Beschäftigten, die gegen ihre Kündigung geklagt haben, angewendet werden. Zwar bemühte man sich beim Insolvenzverwalter Arndt Gleiwitz schnell, das Gesagte zu dementieren, aber der Schaden war angerichtet.

Die Kommentatoren in den sozialen Netzwerken schrieben zynisch: »500 Euro?! Das ist ja mehr als ein Monatslohn für die Schlecker-Frauen!« »Und vielleicht wird's in einem Jahr ausgezahlt. Dann können die es gleich mit dem Hartz IV verrechnen«, meinte ein anderer. »Ex-Mitarbeiter sind Schlecker 500 Euro wert« titelte der »Fokus« in seiner Onlineausgabe. Die Gewerkschaft ver.di sagte auf Nachfrage, die 500 Euro könnten höchstens eine Abschlagszahlung auf die zu erwartenden Abfindungen sein. Zudem sei es eine höchst merkwürdige Praxis, dass man über den vermeintlichen Leitfaden aus dem Flurfunk des Arbeitsgerichts und aus den Medien erfahre. Letztlich müsse auch eine Abfindungsregelung für alle 10 000 von Kündigung betroffenen Schlecker-Beschäftigten und nicht nur für die 1500, die geklagt haben, gelten.

Tatsächlich sind diese 500 Euro, deren Anbieten nun - wahrscheinlich äußerst ungewollt - bekannt geworden ist, alles andere als ein gutes Zeichen. Laut Insolvenzordnung beträgt die maximal mögliche Abfindung zweieinhalb Monatsgehälter. Und auch eine Frau, die jahrelang bei Schlecker auf Minijobbasis gearbeitet hat, dürfte so mehr bekommen können als 500 Euro.

Abfindungen dürfen nicht zu hoch sein, das reißt ein zu großes Stück aus der Insolvenzmasse und schreckt Investoren ab, argumentiert die eine Seite. Den Gekündigten bleiben die Unsicherheit, drohende Langzeitarbeitslosigkeit und der Verlust von Rentenansprüchen. Das soll durch 500 Euro an die Beschäftigten abgegolten werden, die für die Unternehmenspolitik, die Schlecker letztlich in die Insolvenz geführt hat, nicht verantwortlich sind? Ein warmer Handschlag.

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