Insektenjagd im Kaiserstuhl

Baden kämpft mit Bio-Gift gegen den Maikäfer

  • Lesedauer: 3 Min.
Nach dem warmen Herbst 2011 schlupfen die Maikäferlarven im Südwesten offenbar schon nach zwei statt drei Jahren. Besonders in den Weinbergen in der Freiburger Region befürchtet man eine Katastrophe.

Freiburg (dpa(ND). »Von der Sonne verwöhnt« - so lautet der Slogan für den Badischen Wein. Besonders am Kaiserstuhl scheint diese auch prächtig und lässt Burgundersorten gedeihen. Doch daran labt sich auch ein Feind: Die Engerlinge des Feldmaikäfers. »Ein bis zwei Engerlinge pro Quadratmeter reichen schon aus, um schlimme Wurzelschäden anzurichten«, sagt Michael Glas vom Pflanzenschutzdienst Baden-Württemberg. Weil die Käfer derzeit massenhaft schlüpfen, bekämpft sie der Experte per Hubschrauber mit einem »umweltverträglichen« Gift, wie er sagt. Ab heute soll in den Weinbergen gesprüht werden.

Feldmaikäfer gab es schon immer am Oberrhein. Aus ihren Eiern entwickeln sich Engerlinge. Die im Erdreich lebenden Larven fressen drei Jahre lang Wurzeln. Danach verwandeln sie sich in Käfer und schwärmen zur Fortpflanzung aus. Dieser Zyklus führt alle drei Jahre zu einem besonders starken Käferschlupf. Wie in diesem Mai am Kaiserstuhl: In dichten Trauben hängen die schwerfälligen Brummer in den Bäumen.

Nun will Pflanzenschützer Glas dem ein Ende machen. Auf einer Fläche von 4000 Hektar soll das Insektizid Neemazal T/S versprüht werden. Das Fraßgift ist auch im ökologischen Landbau zugelassen. Von dem Mittel, das aus den Früchten des indischen Neem-Baumes hergestellt wird, bekommen Maikäfer Magengrimmen: Sie fressen nicht und werden auch zu träge zur Paarung.

Für Maikäfer fressende Fledermäuse ist das Gift unschädlich. Und weil auch Schmetterlinge kaum an dem Gift leiden, haben auch Umweltschützer keine schwerwiegenden Einwände. Bei Probegrabungen in der sonnenreichsten und wärmsten Region der Republik zeigten sich für dieses Jahr alarmierende Befunde: Wegen des besonders warmen Herbstes 2011 sind viele fette Engerlinge anscheinend schon nach zwei statt drei Jahren fertig entwickelt. Käferbekämpfer aus der gesamten Republik schauen deshalb mit Sorge an den Hochrhein. Falls sich dort der Reproduktionszyklus der braunen Brummer um ein Jahr verkürzt, könnte das bei anhaltender Klimaerwärmung auch andernorts der Fall sein.

Vor allem für den Raum von Mannheim bis Frankfurt wäre das schlimm. Dort ist der Waldmaikäfer zu einer Bedrohung geworden: Im Jahr 2010 war bereits eine Fläche in Größe von 20 000 Fußballfeldern gefährdet, bei Proben fanden sich bis zu 176 Engerlinge je Quadratmeter. Acht Meter hohe Bäume konnten einfach aus dem Boden gezogen werden, da sie keine Wurzeln mehr hatten.

»2013 wird hier wieder ein starkes Käferjahr«, sagt der hessische Waldschutzexperte Horst Marohn. Weil das milde Neem-Gift direkt in den Wäldern nicht wirkt, müsste das umstrittene Insektengift Dimethoat versprüht werden, das auch Schmetterlinge und Fledermäuse bedroht.

Eine mühsame, aber ökologisch korrekte Methode ist aus früheren Zeiten überliefert. Kinder bekamen im Mai schulfrei und sammelten Krabbeltierchen. Mit Erfolg: So berichtet etwa die Gemeindechronik von Ermsleben in Sachsen-Anhalt, dass 1937 fast eine halbe Tonne Maikäfer abgeliefert wurde, bei einer Prämie von umgerechnet vier Cent pro Kilogramm. Die Kinder von heute würden das sicherlich auch tun: Auch bei ihnen haben Maikäfer einen gefestigt guten Ruf. Ihre Füßchen kitzeln angenehm auf der Haut. Außerdem lassen sich die Brummer gut in Schuhschachteln halten und mit nach Hause nehmen.

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