Die weltliche Dreifaltigkeit
Die Herausforderungen für die neue Nordkirche warten im Osten - wo sie die Mitarbeiter schlecht behandelt
Der Bundespräsident hat den naheliegenden Satz bereits vor dem Pfingstwochenende gesagt: Die am Sonntag in Ratzeburg feierlich vollzogene Gründung der »Nordkirche« aus den Pommerschen, Mecklenburgischen und der Nordelbischen evangelischen Landeskirchen sei ein Symbol für das Zusammenwachsen für Ost und West. Joachim Gauck meinte damit, dass die West-Protestanten von den Ost-Geschwistern etwas über den Glauben »unter schweren Bedingungen« lernen und umgekehrt die Ostler vom Westen Strategien übernehmen könnten, der »schwindenden« Religiosität entgegenzuwirken.
Doch hatte das Staatsoberhaupt noch in einer anderen Hinsicht Recht: Die drei Landeskirchen wachsen als Organisation und Arbeitgeber in einer Drei-Klassen-Struktur zusammen, in der die neue Großkirche den sozialen Erfahrungen der Nachwendezeit in der Tat sehr nah ist: In die Röhre schaut der Ostdeutsche vor Ort.
Zum Feierwochenende hielt auch die »Gewerkschaft Kirche und Diakonie« (GKD), die die Beschäftigten in protestantischen Tendenzbetrieben organisiert, die Füße still. Doch einige Tage zuvor wurde die GKD in ihrem »Pfingstbrief« noch einmal deutlich: »Sie trinken Wein und predigen Wasser«, steht in einer Stellungnahme der Beschäftigten zur Kirchenfusion. »Groß ist der Stolz der fusionierenden Kirchenleitenden«, heißt es dort weiter, doch tatsächlich gehe es nur um vereinfachtes Verwaltungshandeln und Finanzen. »In einem ganz wesentlichen Punkt, nämlich der Anwendung tariflichen Arbeitsrechts auf alle Mitarbeitenden«, sei die Fusion bereits jetzt »gescheitert«, die Mitarbeiter hätten »keinen Grund zum Feiern«.
Die weltliche Dreifaltigkeit der Kirchenbeschäftigten setzt sich wie folgt zusammen: Erster Klasse arbeiten die - das gibt es - Kirchenbeamten. Ihre Ausstattung, Laufbahn und Versorgung ist, obwohl sie bei den nach deutschem Recht im Unterschied zu allen anderen Glaubensgemeinschaften »dienstherrenfähigen« Landeskirchen arbeiten, in der Regel an die der Bundesbeamten angeglichen und vergleichsweise komfortabel. In der zweiten Klasse reisen in der Nordkirche die unmittelbaren Angestellten der künftigen Landeskirche, die nach dem alten Tarifvertrag der nun aufgelösten Nordelbischen Kirche bezahlt werden.
Die dritte Klasse stellen die Beschäftigten der Kreiskirchen und Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern. Für sie gilt - mindestens bis 2018 - noch das vordemokratisch anmutende kirchliche Sonder-Arbeitsrecht. Auf dem »Dritten Weg« wird über Entgelt und Arbeitsverhältnisse unter Ausschluss der Gewerkschaften in so genannten Arbeitsrechtlichen Kommissionen entschieden. Die GKD weist darauf hin, dass diese in der Nordkirche mit Mitgliedern bestückt seien, die nunmehr »als landeskirchlich Beschäftigte die Vorzüge des Tarifvertrages genießen können«. Und fragt bitter, »mit welcher Legitimation« hier die zweite der dritten Klasse den Lohnvertrag vorenthalte.
Dabei stellt gerade der Arbeitsbereich der Kreis- und Gemeindebeschäftigten im Osten eine große, wenn nicht die wichtigste Herausforderung für die neue Kirche dar. Von den jetzt 2,3 Millionen Nord-Christen wohnen mehr als zwei Millionen im früheren Westen, während das weitläufige Mecklenburg-Vorpommern gut die Hälfte des neuen Kirchengebietes stellt. Hier liegen Chancen für eine neue Kirche, wenn sie sich als verlässlicher, warmherziger und couragierter Partner in Position bringen kann. Hier kann eine Zukunft aber auch verloren werden. Nicht zuletzt, weil sie sich mehr Zulauf gerade in der Fläche erhoffen, aus der sie sich zuletzt weiterhin zurückziehen mussten, haben die beiden Ost-Kirchen der Fusion zugestimmt - nicht nur frohen Herzens, wie der pommersche Bischof Hans-Jürgen Abromeit am Vorabend der Vereinigung eingestand.
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