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  • 10. nd-Lesergeschichten-Wettbewerb

Karl Mays Abenteuertour hatte die Nase vorn

Mehr als 100 Leserinnen und Leser wählten die besten Geschichten

  • Heidi Diehl
  • Lesedauer: 5 Min.
Das Publikum war mit viel Spaß dabei.
Das Publikum war mit viel Spaß dabei.

Irgendwie ist es inzwischen so etwas wie ein jährliches schönes großes Familientreffen: Man sitzt gemütlich beieinander und hat sich viel Neues zu erzählen. Genau so war es am Mittwochabend, als sich die große nd-Familie zur Abschlussveranstaltung des 10. nd-Lesergeschichten-Wettbewerbs traf, um die drei besten unter zehn gleichguten Geschichten auszuwählen. Was, wie in den neun Wettbewerben zuvor, wieder gar nicht so einfach war. Denn jeder der Autorinnen und Autoren hätte den ersten Preis verdient, und Gewinner waren alle zehn ja ohnehin schon. Denn ihre Geschichten hatte die Jury aus 192 ausgewählt, die Sie, liebe Leserinnen und Leser, uns in den vergangenen Wochen zum Thema »Reiselust und Welt-Anschauung« geschickt hatten. Niemand beneidete die Jury, als der Tag kam, an dem sie sich für zehn entscheiden musste.

Als dann am Mittwoch Gunhild Hoffmeister, mehrfache Olympiagewinnerin über 800 und 1500 Meter, und Gregor Gysi, Bundestagsfraktionsvorsitzender der LINKEN, die zehn ausgewählten Geschichten vorlasen, war es ganz still im Saal. Ganz anders als noch kurz zuvor, als der ganze Saal mit viel Beifall die herzlichsten Genesungswünsche an die ehemalige Weltklasse-Turnerin und heutige Künstlerin Erika Zuchold übermittelte, die eigentlich als Vorleserin auf dem Podium sitzen sollte und schweren Herzens nur zwei Tage zuvor wegen einer plötzlichen Erkrankung absagen musste. Doch in Gunhild Hoffmeister, die ohne zu zögern sofort für die Erkrankte eingesprungen ist, fand sie eine sehr gute »Vertretung«.

»Wehe Ihr lacht«, leitete Gregor Gysi das Vorlesen der Erinnerungen des heute 91-Jährigen Gerd Walleiser an seine Nächte in Paris im Jahr 1941 ein. »Ich habe mir von meiner Tochter sagen lassen, wie ich die schwierigen französischen Worte aussprechen muss. Dass es klappt, kann ich nicht versprechen«, beugte er vor. Nun ja, laut gelacht hat keiner, aber so mancher grinste in sich hinein. Was sich aber durchaus auch auf den Inhalt der Geschichte bezogen haben kann. Der Autor jedenfalls kommentierte in der Pause anerkennend: »War gar nicht so schlecht.« Und meinte eindeutig den Vorlesenden.

Die meisten derjenigen, deren Geschichten im Mittelpunkt des Abends standen, waren selbst gekommen. Dabei hatten sie zum Teil einen ziemlich weiten Anfahrtsweg auf sich genommen. Den weitesten hatte Anke Green, die extra aus England herübergeflogen war, um dabei sein zu können. »Ich habe mich so gefreut, dass meine Geschichte ausgewählt wurde, auch, weil es die erste seit Jahrzehnten war, die ich wieder in meiner Muttersprache geschrieben habe«, sagte sie. »Da musste ich heute Abend einfach dabei sein.« Die 54-Jährige war eher zufällig auf den Lesergeschichtenwettbewerb gestoßen, als sie im Internet einen nd-Beitrag über Missbrauchsopfer in westdeutschen Kinderheimen las. Beim Weiterstöbern auf den Webseiten von »neues deutschland« blieb sie dann an dem Aufruf zum Schreibwettbewerb hängen und fasste spontan den Entschluss, sich mit ihren eigenen, nicht immer schönen Kindheits- und Jugenderinnerungen als Heimkind daran zu beteiligen.

Eva Schmidt aus Berlin hingegen tat sich da etwas schwerer. »Ich habe mit großer Freude jeden Samstag die in der Zeitung veröffentlichten Geschichten gelesen. Aber selber mitmachen traute ich mich zunächst nicht. Bis ich irgendwann begann, die Erinnerungen an unsere folgenreiche Familienfahrradtour aufzuschreiben, und feststellte, dass ich dabei genau so viel Spaß habe, wie am Lesen der Texte anderer.« Zum Glück hat sie sich getraut, kann man da nur sagen, denn die Zuhörer setzten ihre Geschichte auf Platz 2. Die 80-Jährige wollte ihr Glück gar nicht fassen und freut sich nun um so mehr darauf, ihren Preis, eine Reise an den Chiemsee, bald einlösen zu können.

Eckhard Jahn, der aus Magdeburg angereist war, hielt es nicht mehr auf seinem Stuhl, als Ex-nd-Redakteur Michael Müller, der den Abend wie immer moderierte, bekanntgab, dass seine Geschichte es auf Platz 3 geschafft hat. »Ich bin so glücklich, dass ich mich entschlossen habe, die Erinnerung an unseren besonderen Parisaufenthalt doch noch aufzuschreiben. Seit Jahren habe ich allen Leuten immer von dem Besuch bei Monsieur Heine erzählt, um es niederzuschreiben brauchte es aber erst den Anstoß durch meine Zeitung.« Sein Preis wird ihn mit seiner Familie in die Oberlausitz, nach Obercunnersdorf führen. Wer weiß, vielleicht warten ja da schon die nächsten Geschichten auf ihn.

Ganz sicher hat der 100. Todestag von Karl May, der von seinen Fans in diesem Jahr gefeiert wird, keinen Einfluss auf die Entscheidung der Leserjury gehabt, als sie die Geschichte von Prof. Dr. Peter Porsch aus Partenstein mit großem Punktevorsprung auf den Siegerplatz setzte. Seine Erinnerung darüber, wie er Karl May aus Österreich nach Sachsen trug, war so kurzweilig und erheiternd, dass er schon beim Vorlesen Szenenapplaus erhielt. Da Peter Porsch am Mittwoch leider nicht selber kommen konnte, wird er wohl erst beim Lesen dieses Beitrags von seinem Erfolg erfahren. Herzlichen Glückwunsch von allen Teilnehmern des »nd-Familientreffens«! Sie und Ihre Begleitung können demnächst im Fichtelgebirge neue Reiseabenteuer erleben.

Auch, wenn Sie liebe Leserinnen und Leser, diesmal bei der Abschlussveranstaltung nicht dabei sein konnten, müssen Sie selbstverständlich nicht auf die zehn vorgelesenen Geschichten verzichten. Am 8. Juni erscheint »nd« mit einer Sonderbeilage, in der alle abgedruckt werden und in der sie noch mehr über die Autoren und den Abend in Wort und Bild erfahren können. Ebenso ein paar »Schnorren« und Geschichten aus den vergangenen zehn Wettbewerben und auch, wieso Hermann Kant mit »schuld« ist, dass wir am vergangenen Mittwoch bereits das 10. nd-Familientreffen feierten.

Glückliche Sieger
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