Keine Versöhnung in Thailand

»Gelbe« und »Rote« streiten wieder

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Konflikt zwischen »Gelbhemden« und »Rothemden« in Thailand hat wieder an Schärfe zugenommen. Auslöser war ausgerechnet das Vorhaben, ein Versöhnungsgesetz zu verabschieden.

General a. D. Sonthi Boonyaratglin, seinerzeit Armeechef, war treibende Kraft des unblutigen Putsches, durch den Thailands damaliger Regierungschef Thaksin Shinawatra am 19. September 2006 gestürzt wurde. Thaksin lebt seither - mit einer kurzen Unterbrechung - im Exil. Bei einer Rückkehr in die Heimat droht ihm derzeit sofortige Verhaftung, denn ein Gericht hatte ihn für schuldig befunden, als Premier zugunsten seiner damaligen Ehefrau bei einem umstrittenen Grundstücksgeschäft Einfluss genommen zu haben.

Ausgerechnet der Exgeneral, inzwischen selbst Politiker und Chef der Versöhnungskommission, reichte jetzt den Gesetzentwurf ein, wonach alle seit dem Putsch gegen Politiker gefällten Urteile zu annullieren wären. Davon könnten Akteure unterschiedlicher Lager profitieren. Dass aber auch Thaksin die Tür zur Rückkehr offen stünde, ist für seine schärfsten Gegner eine Horrorvorstellung. Im Parlament und auf der Straße kam es deshalb zu heftigen Protesten. Als Parlamentspräsident Somsak Kiatsuranont zur Abstimmung aufrufen wollte, wurde er von Abgeordneten der oppositionellen Demokratischen Partei (DP) bedrängt, Vertreter der Regierungsfraktionen eilten ihm zur Hilfe. Nur drei Dutzend Polizisten gelang es, handgreifliche Auseinandersetzungen zu verhindern.

Für die Gelbhemden der radikalen Volksallianz für Demokratie (PAD) sind Zugeständnisse an Thaksin, dessen jüngere Schwester Yingluck Shinawatra gegenwärtig die Regierung führt, unvorstellbar. PAD-Führer Sondhi Limtongkul war schon zu Thaksins Amtszeit der wichtigste Gegenspieler des damaligen Premiers. Die DP als größte Oppositionspartei steht zwar den Gelbhemden nahe, ihre gemäßigten Vertreter können sich aber grundsätzlich eine Rückkehr des vormals mächtigsten thailändischen Politikers vorstellen - sofern er nicht auch noch sein eingezogenes Vermögen zurückerhält. Das Gericht hatte einen Großteil seiner Milliarden eingefroren und später zugunsten der Staatskasse beschlagnahmt.

Für Unruhe sorgt zudem, dass 111 ranghohe Kader von Thaksins Regierungspartei Thai Rak Thai (TRT), die später zwangsaufgelöst wurde, in die Politik zurückkehren können. Sie waren von den Richtern mit einer fünfjährigen Sperre belegt worden, die jetzt endete. Etliche der einstigen Funktionäre haben prompt ihre Mitgliedschaft in der regierenden Pheu Thai (PT) beantragt und könnten bei einer Kabinettsumbildung in Ministerämter aufrücken. Damit, so fürchten die Gelbhemden, verfügte der bei der ärmeren Landbevölkerung noch immer sehr populäre Thaksin über noch mehr Vertraute in Schlüsselpositionen. Yingluck wird von Gegnern ohnehin vorgeworfen, sie sei nur eine Marionette ihres Bruders.

Das Verfassungsgericht, das schon zwei »rote« Regierungschefs zu Fall brachte, verbot dem Parlament inzwischen auf dem Eilweg, das besagte Gesetz vor der Prüfung seiner Verfassungsmäßigkeit zu verabschieden. Die Rothemden argwöhnen einen Putsch mit Justizhilfe. Das Gericht, argumentieren sie, habe kein Recht, Politikern ihre Arbeit vorzuschreiben. Dennoch lenkte die Regierung ein und will zweimonatige Parlamentsferien ausrufen, auf dass sich die Gemüter wieder abkühlen.

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