Wirkungsloser Zuschuss

Nur die Regierung hält Förderung privater Vorsorge für sinnvoll

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.
Gewerkschaften, Arbeitgeber, Sozialverbände und selbst die Versicherungswirtschaft kritisieren die heute im Kabinett beschlossene Förderung privater Pflegevorsorge.

Eine private Pflegezusatzversicherung wird künftig staatlich gefördert. Die Regelung soll zusammen mit Bestimmungen zu Beitragserhöhungen und Leistungsverbesserungen für Demenzkranke verabschiedet werden.

Der Zuschuss von jährlich 60 Euro für eine private Pflegeversicherung wird ab 2013 nur gezahlt, wenn die Versicherten selbst mindestens 120 Euro beitragen. Ein entsprechende Police muss eine Leistung von mindestens 600 Euro monatlich in Pflegestufe III ermöglichen. Dabei muss es sich um eine sogenannte Pflege-Tagegeldversicherung handeln. Sie kann erst nach einer Karenzzeit von fünf Jahren in Anspruch genommen werden. Eine Gesundheitsprüfung dürfen die Versicherer nicht verlangen, die Zulage ist einkommensunabhängig. Für die 2013 einsetzende Förderung werden laut Gesundheitsminister Bahr zunächst Kosten von etwa 100 Millionen Euro jährlich kalkuliert.

Kritik an der neuen Regelung kommt nicht nur aus der Opposition, sondern sogar von der Versicherungswirtschaft selbst, obwohl diese nach Meinung der Gegner dieser Förderung vor allem davon profitieren würde. Der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (GDV) hält die Pläne der Regierungskoalition für schwer umsetzbar. Der Verband warnt davor, dass die geförderten Produkte zu teuer würden und sich nur noch diejenigen versichern, die ein hohes Risiko für Pflegebedürftigkeit hätten. Ein Markt mit geförderten Vorsorgeprodukten könne so kaum entstehen. Die fehlende Gesundheitsprüfung führt dazu, dass die Versicherer bei der Preisgestaltung von den höchsten Risiken ausgehen.

Unzufrieden mit der neuen Regelung sind auch die Arbeitgeber. Dieter Hundt, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, sieht in der Förderung der privaten Vorsorge keinen Beitrag zur nachhaltigen Finanzierung der Pflegeversicherung. Gewerkschaften und Sozialverbände kritisieren vor allem den faktischen Ausschluss von Geringverdienern und, wie DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach, die »unverantwortliche Verschleuderung von Steuergeldern«.

Bisher verfügen rund 1,9 Millionen Menschen eine private Pflege-Zusatzversicherung, um die Lücke zwischen den Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung und den tatsächlichen Kosten zu schließen. Ein Platz im Pflegeheim kostet monatlich schnell zwischen 3000 und 4000 Euro. Die Präsidentin des Sozialverbandes VdK Ulrike Mascher bezifferte die Versorgungslücke in Pflegestufe III auf teils mehr als 2000 Euro. Sie könnte nur mit Versicherungstarifen zwischen 40 und 80 Euro im Monat geschlossen werden, diese seien aber »für Geringverdiener unerreichbar«.

Laut Stiftung Warentest sind für eine gute Pflege-Tagegeldversicherung bisher für einen 45-Jährigen monatlich 40 Euro fällig, für eine gleichaltrige Frau 55 Euro. Sind diese Personen zehn Jahre älter, müssen sie schon 55 bzw. 70 Euro zahlen. Mit den ab 2013 gültigen Unisextarifen kommen auf Männer wahrscheinlich höhere Beiträge zu.

Für zahlreiche ungelöste Probleme in der Pflege bietet auch das jetzt vorliegende Gesetzespaket keine Alternativen. Dazu gehört die Überforderung der schlecht bezahlten und überlasteten professionellen Pflegekräfte sowie der in diesem Bereich aktiven Angehörigen, die sich häufig in Gewalt gegen die Pflegebedürftigen äußert. Zur Beratung der Betroffenen gebe es noch zu wenig Angebote, bemängelte die Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) der Krisentelefone, in einigen Bundesländern überhaupt keine.

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