Milliardengrab

Kommentar von Silvia Ottow

  • Lesedauer: 1 Min.

Selbst wenn der heutige Prozess eines gesetzlich Krankenversicherten gegen die Pflicht, eine elektronische Gesundheitskarte zu benutzen, der Auftakt dazu wäre, dieses unselige Projekt eines Tages ganz und gar zu beerdigen, dürfte sich die Freude darüber in Grenzen halten.

Als vor zehn Jahren eine rot-grüne Bundesregierung die Superidee kundtat, binnen vier Jahren 70 Millionen gesetzlich Krankenversicherte mit einer elektronischen Chipkarte auszustatten, wurde das von einigen Gesundheitspolitikern in den höchsten Tönen gepriesen. Doppeluntersuchungen würden verhindert, falsche Medikationen gehörten der Vergangenheit an, Kartenmissbrauch fände nicht mehr statt, alles sei dabei ganz freiwillig und ungefährlich - und, und, und ...

Von Anfang an hatte das Projekt allerdings mehr Kritiker als Befürworter: Datenschützer, Verbraucherverbände, Patientenorganisationen, Oppositionsparteien. Doch deren berechtigte Einwände wurden ignoriert und Milliarden im Grab der Entwicklungsfirma gematik versenkt, die es bis heute nicht schaffte, ihre Aufgabe zu erfüllen, und so viel Zeit und Geld braucht, als ließe sie die Fotos der Versicherten von Porträtmalern anfertigen. Vor lauter Angst, diesen Skandal verschwendeter Versichertengelder verantworten zu müssen, verwandelte sich sogar der liberale Gesundheitsminister vom Chipkartenfeind zum Chipkartenfreund. Unter diesen Umständen wäre es ein Wunder, wenn der Gigantomanismus jetzt noch gestoppt werden könnte.

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