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Fiebriger Hüne aus dem Thüringer Wald

  • Lesedauer: 3 Min.
Tom Mustroph, Radsportautor und Dopingexperte, berichtet zum elften Mal für »nd« von der Tour de France.
Tom Mustroph, Radsportautor und Dopingexperte, berichtet zum elften Mal für »nd« von der Tour de France.

Eine Tour de France ist kein Zuckerschlecken. Gekrümmt wie ein Fragezeichen schlich am Abend nach der ersten Sprintetappe Marcel Kittel von dannen. In den Straßen der alten Handelsstadt Tournai hatte der Zug seines Rennstalls Argos Shimano an der Spitze des Feldes perfekte Arbeit geleistet. Die Kollegen hatten Kittels Anfahrer Tom Veeler in Stellung gebracht - und der spurtete auf Platz vier. Nur der blonde Deutsche, der vom Hinterrad des Holländers wegschnellen sollte und sich für den Montag ganz viel vorgenommen hatte, der fehlte.

Kittel hielt sich ganz hinten, unweit Tony Martins in der Rekonvaleszenten-Abteilung des Pelotons auf. Magen-Darm-Probleme hatten ihn während des Rennens außer Gefecht gesetzt. »Wir haben früh gesehen, dass er dadurch stark beeinträchtigt ist und entschieden, dass er seine Kräfte schonen sollte. Schade ist es aber doch. Denn wenn Veeler auf Platz vier kommt, hätte Kittel die Etappe sogar gewinnen könnten«, bedauerte ein Betreuer von Argos Shimano sehr.

Für den 24-jährigen Arnstädter kam es sogar noch dicker. Statt sich schnell ins Hotel trollen zu können, musste er noch Urin bei der Dopingkontrolle abgeben. Das ist eine zwar notwendige Angelegenheit, in solchem Falle aber auch eine zusätzliche Strapaze. Mit schmerzhaft verzerrtem Leib quälte er sich danach ins Bett. Etwas Medikamente, viel Schlaf und leicht verdauliche Nahrung verordnete Teamarzt Edwin Achterberg seinem Patienten. Dabei hatte der sich zu seinem Tourdebüt so viel vorgenommen. »Ich bin bereit. Ich will gleich am Montag zuschlagen«, hatte Kittel zuvor verkündet und verraten, dass sich sein Team bei der welligen Etappe am Sonntag nur zurückgehalten habe, um Kräfte für den Tag darauf zu sparen.

Nun sind die Planungen über den Haufen geworfen. Kittels Debüt in den Sprintauseinandersetzungen einer Tour de France ist vertagt. Das ist nicht nur wegen der verpassten Chance ärgerlich für den Hünen aus dem Thüringer Wald. Er hat auch eine Gelegenheit weniger, sich an die verschärften Bedingungen bei der Mutter aller Rundfahrten zu gewöhnen. Da kämpfen nicht nur fünf, sechs Fahrer um den Etappensieg wie bei den kleineren Rennen, die Kittel bislang kannte. Bei der Tour werfen 15, 20 Mann ihren Hut in den Ring. Und die meisten von ihnen haben noch Begleiter. Deshalb wird es vorn ganz, ganz eng.

Landsmann André Greipel relativiert deshalb etwas die Aussichten Kittels. »Das ist seine erste Tour. Da wird die Nervosität schon eine Rolle spielen. Das wird anders als jedes andere Rennen«, meinte der Rostocker. Greipel vergaß allerdings zu erwähnen, dass die ganz Großen gleich bei ihrer allerersten Tour zuzuschlagen wissen. Weltmeister Mark Cavendish ist so einer. Der Slowake Peter Sagan brauchte gar nur einen Tag und keine 200 km Eingewöhnungszeit für seinen ersten Triumph. Und auch Greipel selbst war im letzten Jahr bei seinem Debüt gleich erfolgreich.

Wenn die Fieberhitze aus Kittels Körper entweicht, könnte es auch für ihn klappen. Bis einschließlich Freitag ist der Kurs eher flach und damit das perfekte Gelände für ganz schnelle Männer. Die 3. Etappe am Dienstag dominierte über lange Zeit eine fünfköpfige Fluchtgruppe um den dänischen Bergkönig Michael Morkov. Den Sprint gewann wie erwartet Peter Sagan und holte damit seinen 2. Tageserfolg.

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