Das Epos vom Urgrund

»Ohne praktischen Nutzen« - das Higgs-Bosom und die Künste

  • Martin Hatzius
  • Lesedauer: 2 Min.

Das Standardmodell der Elementarteilchen - man kann sich darunter eine große Erzählung vorstellen, deren Helden die kleinsten derzeit denkbaren Bausteine der Materie sind. Dieses Epos erzählt von der Entstehung des Universums, von den Wechselwirkungen der Naturkräfte, die dieses All zusammenhalten, vom Urgrund aller Dinge, die die Welt ausmachen, in der wir leben. Naturwissenschaftler wie jene am Genfer Forschungszentrum CERN wollen die tatsächliche Existenz jener Protagonisten nachweisen, deren Zusammenspiel in ihrer Fiktion die Welt zusammenhält. Mit hoher Wahrscheinlichkeit haben sie jetzt den letzten fehlenden Baustein des Standardmodells entdeckt, jenes Higgs-Bosom, das Nobelpreisträger Leon Lederman einmal als »gottverdammtes Teilchen« bezeichnet hat, weil seine Überführung aus der physikalischen Gleichung in die messbare Realität sich über lange Zeit als nahezu aussichtslos erwies. Der Verlag, in dem Ledermans Buch erschien, machte daraus kurzerhand das »Gottesteilchen«.

Der »praktische Nutzen« dieser Entdeckung, so der Nobelpreisträger Carlo Rubbia gestern in der F.A.Z., »ist null. Aber es gibt Dinge, die wichtig sind, weil sie unserem Wunsch entsprechen, zu wissen, woher wir kommen, wohin wir gehen, woraus wir bestehen.« Die Suche nach einer Wahrheit, deren praktischer Nutzen nicht auf der Hand liegt - gemeinhin obliegt sie den Künsten -, ist dieser Tage also in einer naturwissenschaftliche Sensation aufgegangen. Eine Suche im Übrigen, die ihrerseits längst wieder Kunstwerke von erhabener Schönheit hervorgebracht hat. Den Bild-Text-Band »LHC« etwa, darin betörende Fotografien von Peter Ginter mit Zeilen des Literaten Franzobel und des CERN-Generaldirektors Rolf-Dieter Heuer angereichert sind. In einem originalgetreuen Nachbau des Cern-Kontrollzentrums LHC hat die Edition Lammerhuber diesen Band im vergangenen Oktober vorgestellt - auf der Frankfurter Buchmesse.

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