Notlösung Numerus clausus
In dieser Woche jährt sich das berühmte »NC-Urteil« zum 40. Mal. Das Bundesverfassungsgericht entschied am 18. Juli 1972, dass sich aus dem Grundrecht auf Berufswahlfreiheit auch das Recht auf Zulassung zum Hochschulstudium ergibt. Das Urteil verpflichtete die Hochschulen also, ihre Kapazitäten vollends auszuschöpfen. Die Richter ließen damals jedoch die Frage offen, ob aus dem Studienplatzmangel auch die Verpflichtung des Staates zur Schaffung von Kapazitäten folgt. Eine Antwort auf diese Frage schien unnötig, denn man hielt den Numerus clausus für eine temporäre Notlösung. Angesichts der Doppelabiturjahrgänge, der Aussetzung der Wehrpflicht und einer Steigerung der Studierneigung steht die Wissenschaftslandschaft 40 Jahre später nicht nur vor schwer lösbaren Aufgaben, sondern vor der ernsthaften Frage, ob die momentanen Zustände an Hochschulen überhaupt noch verfassungsgemäß sind.
Doch statt sich diesen Problemen zu widmen, geht es weiter im blinden Wettlauf um Forschungsreputation, Drittmittel und Rankings. Sogenannte Exzellenzhochschulen werden vor die Kameras gezerrt, damit bloß niemand die marode Grundsubstanz sieht: Kapazitätsmängel, horrende Studienabbruchquoten und Studierende die vielfach in eine Sackgasse geschickt werden, wenn nach dem Bachelor der Master verwehrt wird. Eine Lösung wird nur durch ein grundlegendes Umdenken der Hochschulpolitik möglich sein. Die momentanen Prestigeprogramme tragen kaum zur Lösung bei. Der Bund muss stattdessen Verantwortung in der Breite übernehmen und die neoliberalen Ideen nach ihrem Scheitern auch begraben.
Der Autor ist Mitglied im Vorstand des studentischen Dachverbandes fzs (freier zusammenschluss von studentInnenschaften).
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