Wie lange gilt der Schutz von DDR-Verträgen?

Grund und Haus / Leserfrage zu Nutzungsverträgen nach dem Schuldrechtsanpassungsgesetz

  • Lesedauer: 6 Min.
Wochenendhaus auf einem Pachtgrundstück
Wochenendhaus auf einem Pachtgrundstück

Unsere Erbengemeinschaft besitzt ein unbeheizbares Wochenendhaus an der Ostsee. Es wurde 1960 mit viel Eigenleistung gebaut. Das Grundstück wurde uns 2006 zum Vorzugspreis angeboten. Zum Kauf waren wir nicht in der Lage. Wir sind nach wie vor Pächter. Kann uns der Eigentümer ab 4. Oktober 2015 mit einer Schonfrist von sieben Jahren kündigen? Würde ab 4. Oktober 2222 der Schutz der DDR-Nutzungsverträge endgültig enden? Gelten diese Angaben noch? Kann man sich auf den Preis von damals berufen?
Waltraud S., Stralsund

Durch das Schuldrechtsanpassungsgesetz (SchuldRAnpG) soll eine allmähliche Anpassung der zu DDR-Zeiten begründeten Nutzungsverhältnisse von u. a. Erholungsgrundstücken an die Nutzungs- und Eigentumsverhältnisse gemäß BGB herbeigeführt werden. Im § 23 des SchuldRAnpG sind unterschiedliche Kündigungsschutzfristen vorgesehen, mittels derer die Interessen des Nutzers an der Fortführung der Nutzung und die Interessen des Eigentümers an einer eventuellen Eigennutzung des Grundstücks ausgewogen berücksichtigt werden sollten.

Nun nähert sich jedoch der Zeitpunkt, zu dem der Kündigungsschutz ausläuft und nach den allgemeinen Vorschriften gekündigt werden kann (§ 23 Abs. 4 SchuldRAnpG). Der Kündigungsschutz bleibt allerdings für diejenigen bestehen, die am 3. Oktober 1990 das 60. Lebensjahr bereits vollendet hatten (§ 23 Abs. 5 SchuldRAnpG).

Nutzungsverträge gem. §§ 312 ff ZGB der DDR können bei Überführung auf das BGB sowohl Miet- als auch Pachtverträge sein. Der Pachtvertrag unterscheidet sich vom Mietvertrag vor allen Dingen dadurch, dass der Verpächter dem Pächter nicht nur den Gebrauch des verpachteten Gegenstands gewährt, sondern auch den Genuss der Früchte, also beispielsweise der Gartenbauerzeugnisse des Grundstücks (vgl. § 535 Abs. 1 BGB für den Mietvertrag und § 581 Abs. 1 BGB für den Pachtvertrag).

Vielfach werden Nutzungsverträge gedankenlos als Pachtverträge eingestuft, obwohl sie gar keine Fruchtziehung vorsehen. Das ist beispielsweise bei Waldgrundstücken der Fall, auf denen lediglich eine Erholungsbaulichkeit errichtet werden sollte, aber gar kein Gartenbau betrieben wurde.

Die Unterscheidung hat hinsichtlich der Kündigungsfristen Bedeutung. Pachtverträge über ein Grundstück mit unbestimmter Pachtdauer können nach § 584 Abs. 1 BGB nur für den Schluss eines Pachtjahres gekündigt werden, was spätestens am dritten Werktag des halben Jahres zu erfolgen hat, mit dessen Ablauf die Pacht enden soll. Das bedeutet für den wichtigsten Fall, dass der Pachtvertrag ab 4. Oktober 2015 gem. § 23 Abs. 4 SchuldRAnpG gekündigt werden kann, Folgendes: Wenn das Pachtjahr das Kalenderjahr ist, kann also bis spätestens 3. Juli 2015 zum 31. Dezember 2015 gekündigt werden. Zu diesem Zeitpunkt muss die Kündigung dem Kündigungsgegner zugegangen sein. Wenn das Pachtjahr nicht im Vertrag festgelegt worden ist, beginnt es regelmäßig mit Beginn des Pachtverhältnisses.

Wenn der Nutzungsvertrag als Mietvertrag über ein Grundstück klassifiziert wird und die Miete nach Monaten oder längeren Zeitabschnitten bemessen ist, was meistens der Fall ist, kann die Kündigung spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Monats erfolgen (§ 580a Abs. 1 Nr. 3 BGB). Für Kündigungen nach § 23 Abs. 4 SchuldRAnpG bedeutet das Folgendes: Da der 4. Oktober 2015 ein Sonntag ist, ist die Kündigung erstmals am 5. Oktober 2015 zum 31. Dezember 2015 möglich.

Mit der Beendigung des Nutzungsvertrages geht das Eigentum an den Baulichkeiten auf den Grundstückseigentümer über (§ 11 SchuldRAnpG). Das konnte bislang im Einverständnis mit dem Eigentümer dadurch vermieden werden, dass ein dreiseitiger Vertrag geschlossen wurde, nach dem der neue Nutzer im Einverständnis mit dem Eigentümer des Grundstücks in den Vertrag mit dem abgebenden Nutzer eintrat. In diesem Zusammenhang sollte auch die Befristung des Vertrages neu geregelt worden sein. Wenn das nicht der Fall ist, gelten die hier besprochenen allgemeinen Regelungen.

Wenn der Eigentümer vor Ablauf der Kündigungsschutzfrist, also vor dem 4. Oktober 2015, kündigt, hat er dem Nutzer das Bauwerk zum Zeitwert im Zeitpunkt der Rückgabe des Grundstücks zu entschädigen. Das setzt voraus, dass das Gebäude gem. den Rechtsvorschriften der DDR errichtet war und dass der Nutzer nicht Anlass zur Kündigung aus wichtigem Grund gegeben hat (z. B. Zahlungsverzug). Der Zeitwert wird regelmäßig nach dem Sachwertverfahren ermittelt, da Bungalows im Allgemeinen keine Renditeobjekte sind. Etwas anderes kann aber in Frage kommen, wenn sie als Ferienhäuser vermietet werden sollen.

Außerdem kann der Nutzer eine Entschädigung verlangen, soweit der Verkehrswert des Grundstücks durch das Bauwerk zum Zeitpunkt der Rückgabe erhöht ist (§ 12 Abs. 3 SchuldRAnpG). Das kommt insbesondere dann in Frage, wenn ein bestandsgeschütztes Gebäude auf einem Grundstück steht, das an sich nicht zur Bebauung zugelassen ist (siehe Urteil des BGH vom 12. März 2008, Az. XII ZR 156/05). Dann kann die Entschädigung den Wert des Gebäudes durchaus übersteigen. Der Nutzer ist auch zur Wegnahme des Bauwerks berechtigt, was aber selten praktisch wird. Nach § 27 SchuldRAnpG kann der Nutzer weiterhin eine Entschädigung für Anpflanzungen verlangen.

Schließlich kann der Nutzer nach § 14 SchuldRAnpG auch eine Entschädigung für sonstige Vermögensnachteile verlangen, die ihm durch die vorzeitige Beendigung des Vertragsverhältnisses entstanden sind, wie etwa Kosten für die Beschaffung einer Ersatzpachtfläche. Das wird aber nur selten praktisch, weil Voraussetzung dafür ist, dass der Eigentümer das Grundstück einer im Bebauungsplan festgesetzten anderen Nutzung zuführen will bzw. einem besonderen Investitionszweck.

Die Entschädigung kann der Nutzer auch verlangen, wenn der Eigentümer innerhalb der Investitionsschutzfrist kündigt. Diese beginnt mit Ablauf der Kündigungsschutzfrist und währt sieben Jahre. Sie dauert also für mit selbst errichteten Baulichkeiten genutzte Grundstücke bis 3. Oktober 2022. Während der Investitionsschutzfrist kann sich der Nutzer der Kündigung nicht mehr widersetzen, behält aber seinen Anspruch auf Entschädigung.

Wenn der Nutzer das Vertragsverhältnis kündigt (außer aufgrund von Vertragsverletzungen des Eigentümers) kann er eine Entschädigung nach den allgemeinen Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung verlangen, aber auch eine Entschädigung für die Erhöhung des Wertes des Grundstücks durch das Bauwerk im Zeitpunkt der Rückgabe (§ 12 Abs. 3 SchuldRAnpG). Entschädigungsansprüche kommen also vor allen Dingen dann in Frage, wenn der Grundstückseigentümer die Baulichkeiten entweder selber weiter nutzt oder auch vermietet und damit die Werterhöhung durch Baulichkeit selbst eintritt. Das hängt aber vom Grundstückseigentümer ab. Eine eventuelle Werterhöhung des Grund und Bodens durch ein bestandsgeschütztes Bauwerk, wie oben beschrieben, bleibt davon unberührt.

Wenn der Nutzer eine Kündigung durch Ankauf des Grundstücks abwenden will, muss der Preis dafür frei ausgehandelt werden. Solange der Vertrag nicht beurkundet ist, können beide Partner seine Beurkundung davon abhängig machen, dass einzelne Bedingungen einschließlich des Preises einen bestimmten Inhalt erhalten. An frühere Preisangebote besteht vor Beurkundung keine Bindung.

Bei Vertragsbeendigung ist der Nutzer zwar nicht zum Abriss des von ihm errichteten Bauwerks verpflichtet. Er hat jedoch die Hälfte der Abrisskosten zu tragen, wenn das Vertragsverhältnis von ihm beendet wurde oder wenn nach Ablauf der Investitionsschutzfrist vom Grundstückseigentümer gekündigt wird, also in den typischen Fällen nach dem 3. Oktober 2022, oder wenn es aus wichtigem Grund vom Grundstückseigentümer gekündigt wird.

Weitere Voraussetzung ist allerdings, dass der Abbruch innerhalb eines Jahres nach Besitzübergang vorgenommen wird. Wenn das Bauwerk also weiter genutzt wird, kommt die Übernahme von Abrisskosten durch den Nutzer nicht in Frage, sondern er hat im Gegenteil, wie dargelegt, einen Entschädigungsanspruch.

Der Grundstückseigentümer hat dem Nutzer den beabsichtigten Abriss des Bauwerks rechtzeitig anzuzeigen, so dass dieser dann die Beseitigung selbst vornehmen oder vornehmen lassen kann. In diesem Fall übernimmt der Nutzer die Beseitigung des Bauwerks zur Gänze, kann aber durch Einsatz von Eigenleistungen dennoch billiger dabei wegkommen.

Prof. Dr. DIETRICH MASKOW,

Rechtsanwalt,

Berlin-Mitte

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