Gefechte an der Propagandafront

Meldung über weiteren Abtrünnigen der Assad-Regierung erwies sich als Rohrkrepierer

  • Karin Leukefeld, Damaskus
  • Lesedauer: 3 Min.
Im Medienkrieg um Syrien hat der arabische Nachrichtensender Al-Arabija ein Eigentor geschossen. Es dürfte die Glaubwürdigkeit der Opposition weiter ramponieren.

Der Protokollchef im Präsidentenpalast in Damaskus, Moheddin Muslimani, habe sich ins Ausland abgesetzt, erklärte ein Sprecher der »Freien Syrischen Armee« (FSA) im arabischen Sender Al-Arabija (Saudi-Arabien) am Donnerstag. Die FSA habe ihm dabei geholfen, so der Mann. Am Mittag allerdings wandte sich Muslimani in seinem Büro in Damaskus an die Medien und dementierte die Falschmeldung. Er habe sich zu einer regulären medizinischen Untersuchung in Beirut aufgehalten, erklärte er. Dort habe er die Meldung über sich im Fernsehen gehört und sei direkt nach Damaskus zurückgekehrt.

Westliche Agenturen übernehmen häufig ungeprüft Meldungen von Al-Arabija und Al-Dschasira (Katar). Beide Sender agieren in ihren arabischen Programmen gleichsam wie Pressestellen des Syrischen Nationalrates (SNR) und der »Freien Syrischen Armee«, die fast stündlich Erklärungen in den Sendern abgeben.

Die militärische Lage in umkämpften Teilen von Aleppo scheint sich verschiedenen Berichten zufolge zu Ungunsten der bewaffneten Aufständischen zu entwickeln. Nach einer massiven Offensive der regulären Streitkräfte auf Stellungen der Rebellen habe man »einen taktischen Abzug aus Salaheddin vollzogen«, sagte Hossam Abu Mohammed, ein Kommandeur der »Freien Syrischen Armee« telefonisch der Nachrichtenagentur AFP. »Das Viertel ist vollständig von Rebellenkämpfern geräumt.« Die syrische Armee rücke vor. Agenturberichten zufolge sollen die Streitkräfte in den vergangenen Tagen bis zu 20 000 Soldaten um Aleppo zusammengezogen haben. Ziel ist, die Nachschubwege der Aufständischen in die Türkei zu kappen, was scheinbar Erfolg gehabt hat. Bis zu 8000 bewaffnete Aufständische sollen sich in Aleppo befunden haben. Die Zahlen sind nicht zu überprüfen.

Das syrische Militär gibt sehr sparsam Auskunft über sein Vorgehen. Erstmals berichteten syrische Medien über den Einsatz der Luftwaffe in der Umgebung von Aleppo in dem Gebiet von Hritan. Viele bewaffnete Kämpfer seien getötet und verwundet worden, hieß es. Unter den getöteten »Söldner-Terroristen«, wie die Kämpfer offiziell in Syrien genannt werden, hätten sich Personen aus Libyen, Jemen und Afghanistan befunden. Syrien wirft den Golfmonarchien vor, diese Kämpfer zu finanzieren.

Ein Deutscher soll sich Berichten der »Süddeutschen Zeitung« zufolge in Aleppo in Haft befinden. Das Auswärtige Amt bestätigte den Fall, man bemühe sich um Kontakt zu dem Mann. Es soll sich um einen 51-jährigen Mann irakisch-kurdischer Herkunft handeln, der vor vielen Jahren mit einem gefälschten Pass aus Syrien nach Deutschland eingereist war. Der Mann, der als Anhänger der in Syrien verbotenen Muslimbruderschaft gilt, ist möglicherweise dem internationalen Ruf zum Dschihad (Heiligen Krieg) gefolgt, der in Syrien gegen die Ungläubigen - Schiiten, Alawiten und Christen - stattfinden soll.

Iran hat derweil begonnen, sein politisches und diplomatisches Gewicht in die Waagschale im Kampf um Syrien zu werfen. Außenminister Ali-Akbar Salehi hatte nach Gesprächen in Damaskus auch die Türkei besucht und in Richtung Ankaras, der Golfmonarchien sowie der Nachbarstaaten Syriens erklärt, gegen den Willen Teherans werde die Führung in Syrien nicht fallen. Iran machte Katar und Saudi-Arabien für die Entführung von iranischen Pilgern in Syrien verantwortlich .

Auf Einladung der iranischen Führung kamen am Donnerstag in Teheran 30 Staaten zusammen, um über die Lage in Syrien beraten. Das iranische Außenministerium teile mit, man suche nach Wegen, den Sechs-Punkte-Plan von Kofi Annan umzusetzen. Insbesondere gehe es um einen »Waffenstillstand, humanitäre Hilfe und die Basis für einen nationalen Dialog«.

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