Die Angst ist geblieben

Tschechien wurde nach 2002 schon mehrfach von schweren Hochwassern getroffen

  • Jindra Kolar, Prag
  • Lesedauer: 3 Min.
In der Tschechischen Republik hinterließ das Hochwasser von Moldau, Eger und Elbe einen Schaden von knapp drei Milliarden Euro. Es hätte noch schlimmer kommen können, besonders für Deutschland.

Ein Blick aus dem Fenster verrät: Es ist Sommer in Prag. Die Sonne scheint, die Temperaturen klettern auf 25 Grad - ein ganz normaler Sommertag in der tschechischen Hauptstadt. Zehn Jahre zuvor sah dies ganz anders aus. Der August begann mit Regen, tagelang fiel das Wasser in Strömen vom Himmel. Besorgt sahen die Menschen den Flusspegel steigen. Doch was dann kam, hatte sich niemand vorgestellt. Unter den Fluten von Moldau, Eger und Elbe - in der Folgezeit als die »Jahrhundertflut« bezeichnet - kamen 17 Menschen in der Tschechischen Republik ums Leben, 753 Gemeinden wurden überschwemmt, 225 000 Menschen mussten evakuiert werden. Der Schaden belief sich auf 2,93 Milliarden Euro.

Bereits im Juni und Juli 2002 hatte es andauernd geregnet, die Böden waren vollgesogen und konnten kaum mehr Wasser aufnehmen. Die starken Regenfälle vom 5. August lösten dann die Katastrophe aus.

Normalerweise beträgt die Durchflussgeschwindigkeit der Moldau in Prag 150 Kubikmeter je Sekunde. Auf dem Scheitelpunkt der zweiten Flutwelle am 12. August wurden jedoch 5300 Kubikmeter je Sekunde gemessen. In wenigen Stunden waren mehrere Stadtbezirke überflutet. Die Metro musste ihren Betrieb einstellen, historische Gebäude in der Altstadt nahmen Schaden.

Die Gemeinde Zalezlice, nur einen Kilometer von der Moldau und drei Kilometer von der Elbe entfernt, wurde zum Symbol der Flutkatastrophe 2002. 121 Gebäude waren komplett zerstört, das waren zwei Drittel des Ortes. Zalezlice und andere Gemeinden sind heute wieder aufgebaut.

Doch es hätte noch schlimmer kommen können. Die Flut, die selbst das Hochwasser von 1845 übertraf, wurde dank vieler Rückhaltebecken und Staustufen auf dem tschechischen Territorium eingedämmt. Eine neue Studie des Masaryk-Instituts für Wasserforschung und der deutschen Bundesanstalt für Gewässerkunde zeigt, dass die getroffenen Maßnahmen für die »Scheitelreduktion«, so der Fachausdruck für das Zurückhalten des Wassers, noch größere Schäden verhindert hatten. Mehr als 160 Millionen Kubikmeter Wasser waren oberhalb Prags von Staudämmen und Rückhaltebecken aufgefangen worden. Der Rekordpegel in Dresden von 9,40 Metern am 17. August hätte noch um 72 Zentimeter höher gelegen und weiteren Stadtteilen von Elbflorenz großen Schaden zugefügt. Auch weiter elbabwärts in Sachsen-Anhalt bis in die Region um Magdeburg wären noch größere Schäden zu verzeichnen gewesen.

Dennoch merken Kritiker auch heute wieder an, dass die zwischenstaatliche Zusammenarbeit Tschechiens und Deutschlands zu langsam vonstatten gehe. Zudem fordern Umweltschützer in Tschechien ein wirkungsvolleres Handeln der eigenen Behörden. Jahrelange Grundstücksstreitigkeiten und ein umständliches Genehmigungsverfahren für den Wasserschutz verhindern notwendige Bauten und Maßnahmen. Obwohl bei weitem nicht in gleichem Ausmaß, richteten die Hochwasser von 2006 und 2011 in derselben Region erneut Schäden an. Der Bürgermeister von Zalezlice, Jiří Čížek, beklagt, dass bis heute ein 1700 Meter langer Schutzdamm noch nicht gebaut wurde.

Über die Erfahrungen mit der Flut, den aktuellen Stand des Hochwasserschutzes sowie die Umsetzung von EU-Richtlinien soll heute und morgen bei der »Fachkonferenz zum 10. Jahrestag des Hochwassers von 2002« in Prag gesprochen werden. Vielleicht lenken die Teilnehmer in den Pausen bei schönem sommerlichen Wetter ihre Schritte wenige hundert Meter flussabwärts nach Karlin. Dort ist seit der Flut ein Viertel rekonstruierter Wohnungen entstanden, in dem sich ausländische Gäste der Hauptstadt gern einmieten oder ein Domizil erwerben.

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