»Eintägige Generalstreiks reichen nicht«

Miguel Sanz Alcántara über Widerstand in Andalusien und Strategien gegen die Krise

  • Lesedauer: 4 Min.
Das Sindicato Andaluz de Trabajadores (SAT) ist eine auf Andalusien begrenzte kleine, radikale und linke Gewerkschaft, die am 23. September 2007 gegründet wurde. Die SAT hat etwa 20 000 Mitglieder und arbeitet mit alternativen Gewerkschaften wie der Corriente Sindical de Izquierda (Linke Gewerkschaftsströmung) in Asturien, der baskischen Gewerkschaft LAB und anderen zusammen. Mit Miguel Sanz Alcántara von der SAT sprach Martin Ling.

nd: Am heutigen Donnerstag beginnt in Andalusien ein dreitägiger Marsch der Werktätigen in Jódar. Was versprechen Sie sich von dieser Aktion?
Alcántara: Die Andalusische Arbeitergewerkschaft (SAT) ist im Gegensatz zu den großen Gewerkschaften wie die Arbeiterunion (UGT) und die Arbeiterkommissionen (CCOO) in den kleinen Städten und Dörfern Andalusiens präsent. Was in den großen Städten an Entwicklungen passiert, dringt oft nicht in den ländlichen Raum. Unser primäres Ziel ist es, mit dem Marsch durch Andalusien die Landbevölkerung für den Kampf gegen die Krise und die Kürzungspolitik zu mobilisieren. Andalusien spielt hier eine wichtige Rolle, weil sich dort große Teile der Agrarwirtschaft befinden. Hier trifft kleinbäuerliche Landwirtschaft auf Agrarindustrie. Es ist sehr wichtig, die Kleinbauern und die Landarbeiter zu mobilisieren.

Eine Umverteilungsaktion der SAT hat vergangene Woche weltweit Schlagzeilen gemacht: Rein in den Supermarkt, raus mit Lebensmitteln, die dann an Bedürftige weiter verteilt wurden. Ist das eine neue Strategie oder geht es darum, auf die weit verbreitete Armut aufmerksam zu machen?
Wir haben immer klar gemacht, dass es sich um eine symbolische Aktion handelt. Mit 20 Einkaufswägen voller Lebensmittel kann man schließlich nicht das Hungerproblem lösen oder gar alle Grundbedürfnisse in Andalusien befriedigen. Es ging darum, aufzuzeigen, dass es Aufgabe der Politik ist, sich um die Bedürfnisse der Menschen zu kümmern statt um die Interessen der Großunternehmen.

Welche generelle Strategie verfolgt die SAT?
Wir wollen drei Ziele in Angriff nehmen: die Großbanken, die Großgrundbesitzer und die großen Unternehmen wie die Nahrungsmittelkonzerne. Die Großbanken wurden von uns und sozialen Bewegungen schon zum Beginn der Krise 2007 attackiert, allerdings ohne dass die großen Gewerkschaften das unterstützten. In Andalusien kommt es immer wieder zu Landbesetzungen und die Forderung nach Neuverteilung des öffentlichen Bodens für Kooperativen wird in diesem Zusammenhang dauernd erhoben und von uns unterstützt. Und dritter Angriffspunkt sind die Großunternehmen. Dort versuchen wir, die Beschäftigen besser zu organisieren. Da die großen Gewerkschaften wie die UGT und die CCOO nicht zum Widerstand mobilisieren, sehen wir die Notwendigkeit, viel weiter zu gehen, als es die etablierten Gewerkschaften machen.

Gibt es Kooperation oder eher Konkurrenz zu den großen Gewerkschaften?
Konkurrenz im allgemeinen Sinne gibt es nicht. Die UGT und die CCOO sind große Gewerkschaften mit viel öffentlichem Geld während wir eine kleine, auf Eigenmitteln basierende Gewerkschaft sind. Auf der Ebene der Unternehmen gibt es durchaus Kooperation, da ziehen Mitglieder der SAT mit Mitgliedern der UGT oder CCOO an einem Strang, wenn es um Arbeitnehmerinteressen geht. Allgemein aber haben UGT und CCOO kein Interesse an einem Wachstum der SAT, auf Großdemonstrationen bekommen SAT-Mitglieder zum Beispiel kein Rederecht.

Gibt es in der Krise ein Wachstum bei den alternativen Gewerkschaften?
Ohne Zweifel. Das Wachstum ist sehr, sehr stark. Aus unterschiedlichen Gründen: Einerseits ist der Mobilisierungsgrad in Spanien seit dem Beginn der Krise allgemein extrem angestiegen. Zudem kommt seit 2011 der Einfluss der Bewegung M-!5 hinzu, der sogenannten Indignados (Empörten), die sich nahezu aus allen Bevölkerungsschichten zusammengefunden haben und in die ganze Gesellschaft wirken - vor allem auf die Jugend und die prekär Beschäftigten, die auch oft jung sind. Die suchen nach Möglichkeiten, sich erstmals zu organisieren und verschaffen den alternativen Gewerkschaften so viel Zulauf.

Für den Herbst wird ein neuer Generalstreik anvisiert. Ist das ein wirksames Mittel?
Vorab: Wir unterstützen den Generalstreik. Wir sehen aber auch ein Problem. Die großen Gewerkschaften, die allein die Kapazität haben, einen Generalstreik zu organisieren, nützen dieses Mittel nicht effektiv. Zwar waren sowohl der Generalstreik im September 2010 gegen Zapatero als auch der Generalstreik im März 2012 gegen die neue Regierung Rajoy ein Erfolg, was die Teilnahme angeht. Doch der Erfolg war nicht nachhaltig. Ein Tag Generalstreik verpufft. Wir plädieren zum Beispiel für einen unbefristeten über die Wirtschaftssektoren rotierenden Generalstreik, der den Druck auf die Politik erhöhen würde. Denn auch wenn die Generalstreiks massiv befolgt wurden, an den Kürzungen haben sie bisher nichts geändert. Generalstreiks sind gut, reichen aber nicht. Wir müssen im Alltag Widerstand leisten - ob gegen Räumungen oder Kürzungen. Die Menschen auf der Straße müssen zu Protagonisten werden.

Spendenkonto der Andalusischen Arbeitergewerkschaft SAT


Empfänger: SAT (Sindicato Andaluz de trabajadores)
Kreditinstitut Cajasol
IBAN: ES38 2106 0005 4121 2834 3229

BIC: CECAESMM 106

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