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Kleine Gutachtenflut

BUND warnt Sachsen-Anhalt vor dritter Expertise zu Saalekanal

  • Hendrik Lasch, Magdeburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Flussschützer drängen Sachsen-Anhalts Verkehrsministerium, nicht noch ein weiteres Gutachten zum Saalekanal in Auftrag zu geben. Eine Expertise im Auftrag des Bundes bestätigt: Das Projekt ist unrentabel.

In Sachen Schiffsverkehr herrscht Flaute an der Saale. Als 2011 einmal ein Frachtkahn den Fluss hinauf zum Hafen Halle fuhr, war das ein solches Ereignis, dass Zeitungen große Beiträge druckten: »Ein Schiff wird kommen!« Seitdem herrscht wieder Ruhe. Um so emsiger beschäftigen sich Gutachter mit dem Fluss. Sie versuchen vorherzusagen, wie viele Schiffe auf der Saale fahren könnten, wenn sie besser vorankämen. Eine Expertise hat das Land erstellen lassen, zu einer vom Bund beauftragten sickerten jetzt Details durch. Und weil diese dem Land nicht passen, erwägt man dort ein drittes Gutachten. Ernst Paul Dörfler, Flussexperte im Umweltverband BUND, schüttelt den Kopf: »Ein Stück aus dem Tollhaus!«

Völlig überflüssig

Die Überlegung aus Magdeburg wurde publik, nachdem die »Mitteldeutsche Zeitung« über ein Gutachten der Essener Planco Consulting GmbH im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums berichtet hatte. Es hatte untersucht, welche Frachtmengen auf einem zehn Kilometer langen Kanal befördert werden könnten, der als Umgehungsroute für den kurvenreichen Unterlauf der Saale dienen soll. Er wurde geplant, nachdem die Flut 2002 das frühere Vorhaben einer Staustufe bei Groß Rosenburg hatte hinfällig werden lassen. Im Oberlauf wurde die Saale bereits in den 30er Jahren durch zahlreiche Staustufen schiffbar gemacht.

Die neuen Zahlen lassen eine Umsetzung der Baupläne immer unwahrscheinlicher werden. Auf dem 150 Millionen Euro teuren Kanal dürften demnach wohl nur 250 000 bis 300 000 Tonnen Fracht im Jahr befördert werden. Das Land war von der zehnfachen Menge ausgegangen. »Es sieht nicht gut aus für den Kanal«, zitiert die »Mitteldeutsche« einen Vertreter des Berliner Ministeriums. Offiziell vorgestellt werden sollen die Zahlen erst nach einer Abstimmung der Häuser in Berlin und Magdeburg. Dort gibt man sich indes wenig einsichtig: »Zur Not« wolle CDU-Landesminister Thomas Webel seinen Berliner Kollegen Peter Ramsauer (CSU) mit der Hilfe eines weiteren Gutachtens umstimmen, heißt es.

Völlig überflüssig, sagt BUND-Experte Dörfler und verweist auf ein Kernproblem: Wie viel Fracht auf der Saale transportiert werden könne, hänge am Wasserstand der Elbe unterhalb der Saalemündung bei Barby. Die Elbe führe immer häufiger Niedrigwasser; die für Frachtschiffe erforderliche Tiefe von 2,50 Metern werde im Schnitt in acht Monaten pro Jahr nicht erreicht: »Ein zehn Kilometer langer, vier Meter tiefer Kanal nützt da gar nichts«, sagt Dörfler.

Lieber vergleichen

Statt ein neues Gutachten anfertigen zu lassen, sollten die beiden Ministerien lieber die von ihnen verwendeten Zahlen vergleichen; immerhin unterschieden sich die Ergebnisse »um eine Zehnerpotenz«. Dörfler geht davon aus, dass in Berlin reale Zahlen zur Befahrbarkeit beider Flüsse zugrunde gelegt werden, in Magdeburg aber eher ein »Wunschzettel der Unternehmen«. Vor allem in der Region Bernburg gibt es etliche Firmen, die Soda, Salz und Kies per Schiff transportieren wollen. Ihre Interessen vertritt der Verein zur Hebung der Saaleschifffahrt. Auf dessen Internetseite wird über den neuesten Gutachterstreit informiert. Fett gedruckt wurde eine Passage aus einem Pressebericht, in der nahegelegt wird, die schlechten Zahlen in dem Planco-Gutachten seien in Berlin gewissermaßen bestellt worden - weil sie es dem finanziell klammen Bund »leicht machen, das Projekt zu beerdigen«.

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