Minderheit, nicht minder wert

Kieler Regierung will Sinti und Roma neuen Verfassungsstatus einräumen

  • Dieter Hanisch, Kiel
  • Lesedauer: 2 Min.
Schon fünf Mal scheiterten Versuche, die Landesverfassung Schleswig-Holsteins zu ändern, um Sinti und Roma zur nationalen Minderheit zu erklären. Der sechste Anlauf könnte nun Erfolg haben.

Es wäre ein Novum in deutschen Bundesländern. Die Verfassungsänderung, über die am Donnerstag die Landtagsfraktionen in Kiel in Erster Lesung debattierten, würden den Sinti und Roma den Minderheitenstatus einräumen. Das Projekt der neuen Küstenkoalition von SPD, Grünen und Südschleswigschem Wählerverband (SSW) würde den beiden Minderheiten mit Verfassungsrang, den Dänen (Südschleswiger) und der friesischen Volksgruppe, eine dritte hinzufügen.

In den Legislaturperioden zuvor scheiterte das Vorhaben stets am Fehlen einer nötigen Zweidrittelmehrheit, verhindert jeweils von der CDU. Unter schwarz-gelber Regierung im Sommer des Vorjahres enthielten sich Union und FDP dann ihrer Stimme. Diesmal kündigte FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki die Zustimmung seiner Fraktion an.

Es geht um eine rund 5000-köpfige Bevölkerungsgruppe mit deutscher Staatsangehörigkeit, die hauptsächlich in Kiel, Lübeck und im Hamburger Randgebiet lebt. Sie werden vertreten vom Verband der deutschen Sinti und Roma. Nach Überlieferungen ist die Gruppe seit mindestens 600 Jahren in Schleswig-Holstein ansässig. Die Grünen hoben am Donnerstag die historische Verantwortung für sie hervor. Rund 400 Sinti und Roma aus Schleswig-Holstein sollen in NS-Vernichtungslagern den Tod gefunden haben. Bis heute seien Ausgrenzung und Diskriminierung an der Tagesordnung, stellte die SPD fest. Angelika Beer (Piraten) und Rasmus Andresen (Grüne) wiesen auf den aktuellen Antiziganismus in Osteuropa hin. SSW-Abgeordneter Lars Harms sprach von einem mehr als symbolischen Akt. Und: Der Fraktionsvorsitzende der CDU, Johannes Callsen, signalisierte, dass wohl auch einzelne CDU-Abgeordnete der Verfassungsänderung zustimmen dürften. Skepsis gibt es noch in seiner Fraktion, weil Sinti und Roma keine landesspezifische Minderheit darstellen, sondern auch in anderen Bundesländern leben.

Noch in diesem Jahr soll es zur entscheidenden zweiten Lesung und zur Abstimmung kommen. Die nötige Mehrheit wäre erreicht, wenn alle Abgeordneten der Koalition, der Piraten und der FDP dafür stimmen. Schert nur ein Abgeordneter aus, ist mindestens eine Stimme aus der CDU notwendig.

Bisher hat noch kein Länderparlament die Sinti und Roma zum verfassungsrechtlichen Thema gemacht. In Rheinland-Pfalz und neuerdings in Bremen gibt es immerhin partnerschaftliche Rahmenverträge.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal