Börsenwert vom Winde verweht

Apple wird zum wertvollsten Unternehmen aller Zeiten erklärt - und ist es gar nicht

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Börsenwert von Apple ist diese Woche auf einen neuen Rekordwert gestiegen - der Konzern wurde zum »wertvollsten Unternehmen aller Zeiten« erklärt. Allerdings hat die Rechnung einen Haken.

Anfang dieser Woche sorgte eine Schlagzeile in der Finanzwelt für großes Aufsehen. Der US-Elektronikgigant Apple wurde am Montag dank eines neuen Höchststands seiner Aktie von Analysten vorübergehend zum »wertvollsten Unternehmen aller Zeiten« erklärt. Zum Börsenschluss lag das Papier an der New Yorker Technologiebörse Nasdaq bei 665,15 Dollar. Multipliziert mit der Gesamtzahl aller Apple-Aktien ergab dies eine Börsenkapitalisierung von insgesamt 623,14 Milliarden Dollar, was zunächst einmal einen neuen Rekordwert ergab. Am Freitag lag die Aktie mit 662,63 Dollar wieder unter dem Rekordstand.

Apple löste damit die bisherige Bestmarke seines Konkurrenten Microsoft ab. Der längst nicht mehr nur für sein Betriebssystem »Windows« bekannte Softwareriese hatte den alten Rekord von 620,6 Milliarden Dollar im Dezember 1999 auf dem Höhepunkt der Dotcom-Blase erreicht. Bekanntlich platzte die Spekulationsblase nur wenige Wochen später, wodurch auch Microsofts Börsenkurs schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde. Heute ist das Computerunternehmen aus Redmond (US-Bundesstaat Washington) mit einem Börsenwert von rund 258 Milliarden Dollar im Vergleich zu früheren Erfolgsjahren nur noch ein Schatten seiner selbst.

Dagegen soll bei Apple der Aktienkurs noch höhere Bereiche erklimmen. Einige Börsenanalysten trauen dem Konzern aus Cupertino (US-Bundesstaat Kalifornien) als erstem Unternehmen überhaupt einen Börsenwert von über einer Billion US-Dollar zu.

An den Märkten sind rationale Argumente häufig weniger wert als raffinierte Börsenpsychologie; das gilt auch für die Erfolgsmeldung im Fall Apple. So ist der neue Rekordwert eigentlich gar keiner. Auch wenn manche Konsumenten die Produkte des Elektronikherstellers fast wie religiöse Reliquien verehren, gelten auch für Apple die nüchternen ökonomischen Spielregeln. Inflationsbereinigt besitzt nämlich nach Berechnungen der Zeitschrift »Columbia Journalism Review« (CJR) der alte Rekord von Microsoft noch Gültigkeit. Unter Berücksichtigung der Preissteigerungen der vergangenen zwölf Jahre wäre die Rekordsumme aus dem Jahr 1999 heute ungefähr 850 Milliarden Dollar wert. Aber auch Microsoft hätte den Titel des »wertvollsten Unternehmens aller Zeiten« nicht verdient. Laut CJR hätte diesen der Computerhersteller IBM verdient - er erreichte im Jahr 1967 einen Börsenwert von 192,3 Milliarden Dollar, was unter Berücksichtigung der Inflation heute 1,3 Billionen Dollar entspräche.

Neu sind derart zweifelhafte Rechnungen nicht. Was Einfluss auf Börsencharts hat, wird auch von der Filmindustrie gerne als verkaufsfördernde Maßnahme eingesetzt. Immer wieder erreichen uns Meldungen aus Hollywood, ein aktueller Film habe an den Kinokassen das höchste Einspielergebnis aller Zeiten eingefahren. Zuletzt betraf dies 2009 den Science-Fiction-Film »Avatar«, davor das Drama »Titanic« (1997). Auch hier liegen die Kinomacher falsch: Inflationsbereinigt hält der Filmklassiker »Vom Winde verweht« aus dem Jahr 1939 noch immer den Rekord.


Lexikon

Als Dotcom-Blase wird der gigantische Börsenboom samt folgendem Absturz der Aktien von Unternehmen bezeichnet, die im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologie aktiv waren. Mit hohen Kapitalsummen wurden Ende der 1990er zahllose junge Firmen ausgestattet. Als klar wurde, dass sich die riesigen Gewinnerwartungen nicht erfüllen würden, kam es zu einem globalen Börsencrash. nd

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