"Die herrschende Klasse hat dem Rechtspopulismus nichts entgegenzusetzen"

Teil 2 des Interviews mit Ingar Solty (York University Toronto) über Rechtspopulismus in den USA

  • Max Böhnel
  • Lesedauer: 4 Min.

nd: Was kann dem Rechtspopulismus entgegengesetzt werden?
Solty: An Anziehungskraft verlieren können rechte Entsolidarisierung und Sozialdarwinismus im Grunde nur durch solidarische Bewegungen von unten. Diese müssen die Grenzen des Möglichen verschieben und dabei realistische Alternativen anbieten. Im allgemeinen Kontext des Arabischen Frühlings, der Indignados in Spanien, der Bewegung gegen Mietpreiserhöhungen in Israel, der Anti-Austeritätsproteste in Griechenland, der Studierendenbewegungen von Quebec bis Chile etc. kam es 2011 auch in den USA zu solchen Bewegungen. Die Gewerkschaftsbewegung in Wisconsin leistete bemerkenswerten Widerstand gegen die die Tea Party an der Macht; die Occupy-Bewegung fordert, dass die 1% der Verursacher und Nutznießer der Krise für diese bezahlen sollen. Occupy steckt jedoch in der Krise; und in Wisconsin ging zunächst die Dynamik und im Mai die Abwahl des Tea-Party-Gouverneurs Scott Walker verloren.

Wo sehen Sie Widersprüche zwischen der etablierten herrschenden Klasse und den Rechtspopulisten?
Sorge bereitet, dass die herrschende Klasse dem Rechtspopulismus wenig entgegenzusetzen hat. Denn wenn man unter „rechts" jede neoliberale Sozialabbau- und Privatisierungspolitik versteht, die die existierende soziale Ungleichheit verschärft und die von der Krise am stärksten betroffenen Bevölkerungsteile sich selbst überlässt, dann ist im Grunde die Obama-Regierung rechts. In den Kommunen und Einzelstaaten, denen Schuldenbremsen auferlegt wurden, läuft die Kürzungspolitik schon seit Krisenbeginn 2008. Dort werden zur Aufrechterhaltung der kommunalen und regionalen Versorgung in den Bereichen Bildung, Sicherheit, Brandschutz etc. auch Steuern erhöht. Auf der nationalen Ebene sind die Hoffnungen auf eine staatlich angestoßene, soziale und ökologische Krisenpolitik seit Sommer 2010 vorbei und wird auch auf dieser Ebene gespart. Der Rücktritt von Obamas wirtschaftspolitische Chefberaterin Christina Romer markierte diese Zäsur. Für ein neues Konjunkturprogramm hat Obama kein politisches Kapital mehr. Seine Politik ist deshalb, überspitzt formuliert, ein Konjunkturprogramm für die radikale Rechte. Denn die sozialen Widersprüche seiner marktorientierten Krisenpolitik begünstigen deren Aufstieg.

Wie müssen wir uns einen rechten Intellektuellen vorstellen, der Romney berät oder ihm und den Republikanern in den Medien oder akademisch zuarbeitet?

Romneys Beraterstab spiegelt seine Herkunft als Elitenrepublikaner wieder. Verbindungen zum äußersten rechten Rand hat mit Jim Talent eigentlich nur ein Berater. Auffallend ist, daß Romney wirtschaftspolitisch keine Vision hat. Während Obama sich 2008 früh mit Wirtschaftswissenschaftlern zwischen Wall-Street-nahem, alten Neoliberalismus (Paul Volcker, Lawrence Summers, Timothy Geithner), Sozialneoliberalismus (Austan Goolsbee) und moderatem Keynesianismus (Jared Bernstein, Romer und anfänglich auch James K. Galbraith) umgab, entspricht in Romneys Team ausgerechnet der Hayek-Ideologe Ryan am ehesten einem profilierten Wirtschaftsexperten. Ryan will sogar die populäre Rentenversicherung und Krankenversicherung für Rentner privatisieren. Ansonsten kennzeichnet Romneys Beraterstab eine krude Mischung aus Parteikadern, die ihm schon seit seiner Zeit als Gouverneur von Massachusetts nahestehen, und Bush-Administrations-Überbleibseln. Die Mehrzahl entstammt dem Milieu der "Neocons". Die meisten von ihnen haben Verbindungen zum "Project for a New American Century" und zur Heritage Foundation und entstammen den Sicherheitsapparaten oder ihnen nahestehenden Hochschulfachbereichen. Insofern im "War on Terror" große Teile der Sicherheitsapparatur privatisiert worden sind, ist bei einem Wahlsieg Romneys wieder einmal das Drehtürprinzip zu erwarten, im Zuge dessen hochrangige Manager von profitorientierten privaten Sicherheitsfirmen wieder Positionen im Staat einnehmen werden. Black ist der Vorsitzende von Total Intelligence Solutions, einer Tochterfirma der Prince Group, der weltweit größten privaten Sicherheitsfirma, die unter Bush den Staat mit nichtausgeschriebenen öffentlichen Aufträgen plünderte und mitverantwortlich für die Kostenexplosion des über 4 Billionen US-Dollar teuren "War on Terror" gewesen ist.

Spielen in Romneys Wunschkabinett und Beraterstab Exil-Kubaner eine Rolle?
Es gibt eine Reihe obskurer Exilkubanerlobbyisten, mit denen Romney offenbar die Hispanics in den USA ansprechen will, insbesondere in bevölkerungsreichen und damit entscheidenden Swing-Südstaaten wie Florida.

Insgesamt also wenig Denker und Intellektuelle im Team Romney?
Einen intellektuellen Überbau hat Romneys Kampagne nicht. Seine älteste und engste Beraterin Beth Myers – Parteikader und Frau eines anderen schwerreichen Hedgefondsmanagers – dürfte in etwa dem Politikansatz entsprechen, den Romney verfolgt: Neoliberale Sachzwangpolitik nach innen und aggressive Außenpolitik nach außen. Sein Problem ist, daß Obama ihm auf beiden Ebenen wenig Luft zum Atmen läßt. Denn seit dem Scheitern der grünkapitalistischen Reform verfolgt Obama eine auf verschärfte Ausbeutung im Innern setzende, exportorientierte Wettbewerbsstrategie. Diese wird durch eine aggressive Geopolitik im Mittleren Osten, in Zentralasien und im asiatisch-pazifischen Raum flankiert. Damit soll gewährleistet werden, dass sich der Aufstieg Chinas im Rahmen der globalen Hegemonie der USA vollzieht und die US-Option auf eine maritime Kontinentalsperre gegen China jeden Gedanken an eine Herausforderung des US-Dollar als Weltwährung zerstreut. Von diesem aggressiven Einbindungs-plus-Eindämmungsansatz unterscheidet sich Romney nur marginal.

Der dritte Teil des Interviews erscheint morgen.

Lesen Sie den ersten Teil des Intervies hier.

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