Ein- und Zwei-Euro-Stücke setzen weitaus mehr Nickel frei als andere Münzen. Grund dafür sind die verschiedenen Metalllegierungen der zweifarbigen Münzen. Dies berichten Forscher vom Universitäts-Spital Zürich http://www.usz.ch in der Fachzeitschrift »Nature«http://www.nature.com.
Die Wissenschaftler um den Dermatologen Frank Nestle hatten sieben Nickel-Allergikern drei Tage lang die beiden zweifarbigen Münzen auf die Haut geklebt. Alle Probanden zeigten bereits nach 48 Stunden allergische Reaktionen wie Hautrötungen und Bläschen. Zusätzlich legten die Forscher den äußeren messingfarbenen Ring und die silberne Mitte der Geldstücke in künstlichen Schweiß. Dann führten sie Messungen zum dabei entstehenden Stromfluss und zu freigesetztem Nickel durch. Die Münzen gaben Nickelmengen ab, die eigentlich jene von EU-Richtlinien für Gebrauchsgegenstände erlaubten Werte um das 320-Fache übersteigen, so die Forscher.
Die zweifarbigen Eurostücke bestehen aus zwei Legierungen mit verschiedenen Mengen an Nickel, Kupfer und Zink. Durch die beiden unterschiedlichen Metallsorten entsteht, wie die Forscher beobachten konnten, bei Kontakt mit Schweiß ein elektrochemisches Potenzial ähnlich einer Batterie. Dieser geringe Stromfluss fördert die Freisetzung des Allergie auslösenden Metalls, so dass die Geldstücke sogar mehr Nickel abgeben als reine Nickelstücke, wie sie früher z.B. in den USA als Münzen ausgegeben wurden.
Für den Beitrag befragte Hautärzte beobachteten vielfach in diesem Sommer ähnliche Hautreaktionen besonders bei Kindern und Jugendlichen, die in leichter Sommerbekleidung bzw. den eingenähten Taschen der Badehosen und Badeanzüge Taschengeld in Form von Ein- und Zwei-Euro-Münzen unterbrachten. Trotz dünner Stoffschicht zwischen Haut und Münzen entwickelten sich auf der Haut unter den Taschen Hautrötungen und Bläschen. Schätzungen gehen davon aus, dass ein Fünftel aller Menschen überempfindlich auf Nickel reagiert. In den meisten Fällen werden allergische Reaktionen durch nickelhaltigen Schmuck, z.B. Ohrstecker oder Piercing, Clips, Ringe oder Halsketten ausgelöst. Häufig findet eine Sensibilisierung, insbesondere von Mädchen, schon im Kindesalter statt. Die junge Haut ist besonders empfindlich. Schwitzen begünstigt die Entstehung einer Allergie. Häufiges Waschen ist kein Schutz. Es reizt die Haut zusätzlich und macht sie noch empfänglicher.
Schon geringe Nickelfreisetzungen können bei sensibilisierten Menschen eine Nickelallergie aufrecht erhalten. Nicht immer sind nur die Kontaktstellen von einem Ekzem betroffen. Allergien werden heute unterschiedlichen Typen zugeordnet. Die Nickelallergie ist eine Allergie des »Typs 4«. Die Nickelsalze docken sich an körpereigene Zellen an und lösen eine Abwehrreaktion der T-Lymphozyten aus. Bei der allergischen Reaktion vom »Typ 4« spielen die Immunglobuline im Gegensatz zu anderen Allergietypen keine Rolle. Hier sind ausschließlich die T-Lymphozyten beteiligt. Diese T-Lymphozyten sind spezialisierte weiße Blutkörperchen und gehören zur spezifischen zellulären Abwehr. Die T-Zellen behalten eine einmal durchgeführte Abwehraktion im Gedächtnis. Kommen sie mit dem gleichen Allergen noch einmal in Kontakt, so können sie heftige allergische Reaktionen auslösen. Die Symptome treten aber nicht sofort, sondern erst 12 bis 72 Stunden nach dem Allergenkontakt auf.
Nickel findet sich nahezu überall im Alltag. Nicht nur in Schmuck, auch in Brillengestellen, Armbanduhren, Verschlüssen von Kleidern, Reißverschlüssen, Küchengeräten, Bestecken, Kochtöpfen, Schuhen, Haken, Schnallen, Puderdosen, Schlüsseln, Türklinken und Scheren ist Nickel enthalten. Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Sogar in Silber und Weißgold kann in der Legierung bis zu 20 Prozent Nickel enthalten sein. In Silbermünzen ist ebenfalls Nickel enthalten. Kassiererinnen mit einer Nickelallergie haben durch den ständigen Kontakt mit Geldmünzen daher oft Probleme.
Nickel und Nickelsalze sind auch in vielen Nahrungsmitteln enthalten. So können Menschen mit einer bereits bestehenden Nickelallergie auf bestimmte Nahrungsmittel empfindlich reagieren. In verschiedenen Konzentrationen befindet sich Nickel in Bohnen, Erdnüssen, Haselnüssen, Kakao, Sonnenblumenkernen und Lakritze. Die Konzentration hängt von der Bodenqualität im Anbaugebiet ab. Außerdem können säurehaltige Speisen und saure Gemüse Nickel aus einem Edelstahltopf freisetzen.
In einer Stellungnahme betonte die Europäische Kommission, dass bei normalem Gebrauch keine Gesundheitsgefahr von den Euro-Münzen ausgehe. Eine unmittelbare Reaktion auf Grund der Resultate dieser einen Studie sei nicht nötig, sagte Kommissionssprecher Gerassimos Thomas in Brüssel. Der Grenzwert, laut Bedarfsgegenstände-Verordnung maximal 0,5 Milligramm abgegebenes Nickel pro Quadratzentimeter innerhalb einer Woche, gilt für Münzen leider nicht, da sie meist nur kurz mit der Haut in Berührung kommen. Kassierer(innen) oder Kinder in dünner Sommerbekleidung ohne »dickes Portemonnaie« kommen in dieser Betrachtungsweise nicht vor.
Der Präsident des Ärzteverbandes Deutscher Allergologen (ÄDA), Thomas Fuchs, fordert deshalb schnelles Handeln der zuständigen Ministerien. »Spätestens jetzt brauchen wir endlich umfassende Studien über das prozentuale Vorkommen und die Ursachen von Nickel-Allergien.«