»Briefautoren rennen offene Türen ein«
Bernd Riexinger sieht in inhaltlichen Debatten nichts Beunruhigendes
nd: Der Brief kam nach der Sommertour der beiden Vorsitzenden, nach den Gesprächen auch mit Ost-Landesvorständen. Ist die Zuhöroffensive der neuen Führung gescheitert?
RIEXINGER: Nein, Katja Kipping und ich haben auf unserer Sommertour auch durch die Ostverbände gute Erfahrungen gemacht und gute Gespräche geführt. In dem Brief sehe ich keinen Angriff auf die Parteiführung.
Welche Rolle spielt der Osten für die Parteispitze?
Wir stehen mit den Landes- und Fraktionsvorsitzenden Ost in regelmäßigem Kontakt. Und mit spezifischen politischen Forderungen zur Lage im Osten haben wir gezeigt, dass uns deren Themen sehr nahe sind - wie zum Beispiel das niedrige Lohnniveau, die besonderen Probleme bei der demografische Entwicklung, die Angleichung der Renten in Ost und West, die von der Bundesregierung nun ein weiteres Mal auf die lange Bank geschoben worden ist. Damit haben wir die anderen Parteien zu politischen Stellungnahmen gezwungen, das wird ganz sicher auch in der eigenen Partei registriert. Und ich prognostiziere: beim Thema Ostrentenangleichung ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.
Können Sie die im Brief der Ostdeutschen erneut sichtbar gewordene Frustration nachvollziehen?
Ich kann nachvollziehen, wenn mehr Respekt vor der Arbeit der Ostverbände eingefordert wird, zum Beispiel was die kommunalpolitische Verankerung der Partei in den östlichen Ländern angeht. Aber da rennen die Autoren bei uns offene Türen ein. Wir haben zum Beispiel angekündigt, dass wir Erfahrungen mit Kampagnen und aus einer erfolgreichen Alltagsarbeit viel stärker in der ganzen Partei verbreiten wollen.
Benachteiligt die Zusammensetzung des Geschäftsführenden Vorstands die Ost-Verbände, wie die Briefautoren beklagen?
Im Parteivorstand insgesamt ist der Osten gut vertreten, sogar mit einem leichten Plus. Im Geschäftsführenden Vorstand gibt es eine leichte Unterrepräsentanz, aber ich glaube nicht, dass dies ein Problem ist. Überdies ist es das Ergebnis einer demokratischen Wahl durch knapp zwei Drittel des Parteivorstandes und von Entscheidungen des Parteitages. Die respektieren wir.
Im Brief werden fehlende Beitragsehrlichkeit und unsaubere Mitgliederkarteien kritisiert, die im Ergebnis zur möglichen Manipulation von Delegiertenzahlen auf Parteitagen führen. Gibt es hier Handlungsbedarf?
Wir haben ein gemeinsames Problem, das wir gemeinsam lösen werden. Wir haben in unserer Satzung die bewusste Entscheidung getroffen, dass wir die Leute nicht einfach streichen, sondern das Gespräch suchen, um sie zu halten und für die aktive Mitarbeit zu gewinnen. Aber es gibt Handlungsbedarf, den hatte auch schon der vorhergehende Parteivorstand erkannt und mit dem Projekt »LINKE 2020« ein Konzept auf den Weg gebracht. Mitglieder zu halten und neue zu gewinnen, ist eine ganz zentrale Aufgabe beim Parteiaufbau.
Gregor Gysi hat Verständnis gegenüber den Briefautoren geäußert, auch wenn er den Brief selbst nicht unterschrieben hat. Gibt es hier offenen Gesprächsbedarf der Parteispitze?
In der Urlaubszeit hat es zwar eine längere Pause gegeben, aber wir sprechen regelmäßig miteinander. Das Klima ist gut.
Umso verwunderlicher muss es doch wirken, wenn Gysi in der Überraschungspost einen Weg zur Problemklärung sieht.
Nein, ich habe natürlich seine Rede auf dem Parteitag in Erinnerung, in der er die Befindlichkeiten der Ostverbände deutlich gemacht hat. Aber inzwischen hat Gregor eine deutliche Verbesserung des Klimas konstatiert, zuletzt auf der Fraktionsklausur am letzten Wochenende.
Also keine offenen Wunden mehr?
Und alle wären gut beraten, die langsam verheilenden Wunden nicht wieder aufzureißen.
Welche Rolle werden die in dem Brief aufgeworfenen Fragen auf der Vorstandsklausur am Wochenende spielen?
Sie werden sicher angesprochen. Es wird auch eine Rolle spielen, welche Bedeutung die spezielle Ostproblematik im Wahlkampf spielen muss. Nicht weniger wichtig ist aber, wie wir unsere Entwicklung im Westen voranbringen. Wir sind am Anfang der Diskussion. Und solange es um inhaltliche Fragen geht, sind Auseinandersetzungen in der LINKEN, auch öffentlich geführte, für die Partei nichts Beunruhigendes.
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