Journalismus im »Raumschiff Brüssel«

MEDIENdisput: Berichterstattung über Europa

  • Christoph Nitz
  • Lesedauer: 2 Min.

»Haben die Medien in der Euro-Krise versagt?«. Diese provozierende Frage harrte auf dem jüngsten »MainzerMedienDisput« in Berlin einer Antwort - und diese fielen sehr unterschiedlich aus. Im Europäischen Parlament herrsche eine große Koalition, Konflikte würden sich weniger zwischen Parteien sondern zwischen Ländern oder Ländergruppen zeigen, so ARD-Korrespondent Rolf-Dieter Krause. Mehrfach wies er daraufhin, dass es deutliche kulturelle Unterschiede zwischen den 27 Staaten der EU gebe. Die EU-Kommission als europäische Regierung sei im »Raumschiff Brüssel« schwer zu durchschauen und durch die fehlende Opposition sei die Debatte über europäische Themen verarmt, so Hans-Martin Tillack vom »Stern«. Es fehle ein »europaweiter Journalismusansatz« und EU-Institutionen würden von den Journalisten »eher pfleglich behandelt«. »Es gibt immer Leute, die früh warnen«, aber in Spanien habe sich kein Journalist die Frage gestellt, warum in einem Land, das einen jährlichen Bedarf von 100 000 neu errichteten Wohnungen habe, munter 300 000 davon Jahr für Jahr hochgezogen würden. Abhilfe könnten hier nur mehr Journalisten in Brüssel schaffen. Derzeit müssten einige Wenige als Generalisten alle Themen bearbeiten, während etwa in Berlin in den Hauptstadtbüros spezialisierte Kollegen säßen. »Wir müssen besser werden« - so die deutliche Forderung Tillacks.

Einerseits ist die Medienlandschaft Europas stark fragmentiert, es gibt nur wenige Verlage und TV-Sender, die über nationale Grenzen hinaus agieren, so die Analyse von Claudia Huber, deren Dissertation kürzlich unter dem Titel »Zwischen Routine, Ratspräsidentschaft und Gipfel, Interaktionen von Politik und Medien in der EU« veröffentlicht wurde. Fehler der Medien bei der Berichterstattung über komplexe Themen seien nicht erst beim Euro zu beobachten, so Peter Ehrlich von der »Financial Times Deutschland«. In seinem Zehn-Punkte-Papier »Auf dem Weg zu einer Europäischen Öffentlichkeit« schreibt er, dass man sich die Öffentlichkeit »eher als schlafend« vorstellen müsse. Eine Wende zum Besseren könnten die Wahlen zum Europäischen Parlament 2014 bringen. Erstmals werden Spitzenkandidaten der Parteien aufgestellt und auch die Deutschen würden dann merken, dass sie bei diesem Urnengang »nicht die Kanzlerin wählen.« Eher pessimistisch schloss Rolf-Dieter Krause mit den Worten »Journalismus folgt der Realität und ist ihr nicht voraus« - aber die richtigen Fragen dürfen auch zum Euro gestellt werden.

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