Bereits 100000 Euro hat der Untersuchungsausschuss des Kieler Landtags zur »Pröhl-Affäre« verschlungen, ohne viel Licht in die Sache zu bringen. Aber die CDU will weiterstochern - zumal es inzwischen drei Tote gibt.
Vielleicht liegt es am Dunst, der oft über dem meerumspülten Schleswig-Holstein liegt und Fantasien wie bei einem Edgar Wallace wecken mag, vielleicht aber lastet die Geschichte des Bundeslandes, die immerhin einen toten Ex-Ministerpräsidenten in einer Genfer Badewanne verzeichnet, noch immer schwer auf den Gemütern - jedenfalls wird an der Förde schon seit fast einem Jahr aus einer hässlichen kleinen Mücke ein veritabler Elefant gemacht.
Denn der Sachverhalt, für den der Untersuchungsausschuss bereits 30 Sitzungen beanspruchte, ist eigentlich banal: Der frühere Mitarbeiter der Staatskanzlei und Beauftragte des Landes für die Expo, Karl Pröhl, hatte sich einen Nebenverdienst verschafft und gleichzeitig als Lobbyist für die Hamburger Firma B&B gearbeitet. Das verzeichnete bereits im März 2001 ein Briefkopf des Unternehmens, aber erst im September jenes Jahres stellte Pröhl einen entsprechenden Antrag, der jedoch bis zum 20. Februar 2002 liegen blieb, ehe Pröhls Chef Klaus Gärtner, der Chef der Staatskanzlei, ihn abschlägig beschied. Inzwischen jedoch war Pröhl in den geplanten Verkauf des landeseigenen Kieler Schlosses an einen privaten Investor einbezogen; als Favorit für den Zuschlag aber galt besagte Firma B&B.
Für die seit fast zehn Jahren gegen Ministerpräsidentin Heide Simonis ziemlich glücklose Opposition anscheinend ein Lichtblick; FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki jedenfalls, der die Sache ans Licht brachte und mit vollmundigen Sprüchen seinem Busenfreund Jürgen Möllemann kaum nachsteht, orakelte bereits, die Regierungschefin werde die Affäre politisch nicht überleben.
Tatsächlich jedoch dümpelte sie schwerfällig dahin, denn ihre Kernfrage reduzierte sich nach dem Rücktritt Gärtners, der die Verantwortung für Fehlleistungen in seinem Hause übernahm, darauf, wann Heide Simonis von Pröhls Antrag auf Nebenbeschäftigung wusste. Sie datiert dies auf jenen 20. Februar 2002, als das Begehren abgelehnt wurde. Pröhl selbst, vor allem aber B&B-Chef Falk Brückner, gaben anderes zu Protokoll. Bereits am 2. März 2001, als sich Simonis im Gästehaus der Landesregierung mit dem Außenminister von Oman traf und dort auch Pröhl und Brückner, der ein Geschäft mit dem arabischen Gast aushandeln wollte, zugegen waren, sei der Deal besprochen worden. Brückner beteuerte gar bezüglich Pröhls: »Ich habe regelrecht um seine Hand angehalten.«
Seither steht Aussage gegen Aussage. Beweise konnten weder Brückner noch Pröhl und schon gar nicht die Ausschussermittler aus den Oppositionsparteien vorlegen, aber auch bei der Ministerpräsidentin liegt allein ihr Wort in der Waagschale. Deshalb und weil sie vor den herannahenden Landtagswahlen 2004 offenbar ein medienträchtiges Thema am Köcheln halten will, stürzte sich vor allem die CDU auf einen fantasieanregenden Nebenaspekt der Affäre: Drei Zeugen haben in ihrem Verlauf bereits das Zeitliche gesegnet, und wiederholt kam es zu merkwürdigen Einbrüchen bei Beteiligten.
Schon im Dezember 2001 starb ein gewisser Rainer O. an Herzversagen. Er war stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Firma Alaska AG, die ähnliche Geschäfte wie Brückners B&B betrieb, und wollte angeblich mit nicht näher bezeichneten Erkenntnissen »an die Öffentlichkeit« gehen. Am 5. August 2002 ereilte es Wolfgang J., Bauleiter auf Schloss Bredeneek, einem anderen Projekt, an dem Pröhl beteiligt war. J. saß - wie zeitweise auch der Ex-Expo-Berater - wegen des Verdachts des Kreditbetrugs in Untersuchungshaft, als sein Herz versagte. Und am 26. Oktober vorigen Jahres brach schließlich Kronzeuge Brückner beim Joggen im Park zusammen. Herzstillstand. Damit aber nicht genug. Zweimal war im September beim CDU-Ausschussvorsitzenden Thomas Stritzl eingebrochen worden; Geld und Wertsachen fehlten danach nicht, wohl aber Ausschussunterlagen. Auch Brückners Steuerberater meldete im November einen Einbruch: Der Laptop seines Ex-Mandanten, auf dessen Festplatte sich wichtige Informationen befänden, sei gestohlen worden.
»Es fällt mir schwer, angesichts so vieler Merkwürdigkeiten an Zufall zu glauben«, ließ sich nun der CDU-Fraktionschef im Landtag, Martin Kayenburg, vernehmen. Stritzl wollte sich zwar nicht vorstellen, »dass die Ministerpräsidentin etwas mit den Todesfällen und den Einbrüchen zu tun haben könnte« - tat es aber mit dieser Bemerkung doch. Und CDU-Ausschussobmann Trutz Graf Kerssenbock, zugleich Partner von FDP-Chef Kubicki in dessen Kieler Anwaltskanzlei, beantragte prompt die Beiziehung der Akten über die Todesermittlungen, denn immerhin sei es »zumindest ein Faktum«, dass es in der ganzen Angelegenheit bereits drei Tote gebe. »Man hat schon Pferde kotzen sehen«, fügte er vieldeutig hinzu.
Graf Kerssenbrock weiß, wovon er spricht. Schließlich saß er bereits in jenem Untersuchungsausschuss, der in der 80er Jahren die Affäre um Uwe Barschel und Reiner Pfeiffer aufklären sollte. Für den 12. Oktober 1987 war Barschel vor das Gremium geladen, doch zwei Tage zuvor war er nach Genf gereist; dort fanden ihn am 11. Oktober zwei Reporter tot in einer Badewanne des Hotels »Beau Rivage«. Er konnte keine Aussage mehr machen. Dennoch wies ihm der Ausschuss dubiose Machenschaften gegen seinen SPD-Herausforderer bei der Landtagswahl 1987, Björn Engholm, nach - nicht zuletzt deshalb, weil Graf Kerssenbrock damals unnachsichtig gegen die eigene Partei auf vollständige Aufklärung drängte.
Das stattet ihn noch heute mit einem gewissen moralischen Bonus aus; andere - auch aus den eigenen Reihen - mutmaßen, er wolle bei seinen Parteifreunden etwas gut machen. Aber vielleicht ist es doch nur der norddeutsche Küstennebel, in dem sich so schön spökenkieken - hochdeutsch: ein Gespenst sehen - lässt.
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