- Sport
- Raymond Hecht rückte an die deutsche Speerwerfer-Spitze / Westwechsel für ihn kein Thema
Mit dem ungeliebten Speer auf Rekordflug gegangen
„Das ist ja Wahnsinn! reagierte der zur Stunde beste deutsche Speerwerfer Raymond Hecht auf den spektakulären Weltrekordwurf des Finnen Seppo Räty, der am Sonntag im heimatlichen Punkalaidun den Speer 96,96 m weit schleuderte und damit -seinen erst vor vier Wochen aufgestellten Weltrekord um sage und schreibe 4,98 m übertraf. „Nun sind die hundert Meter schneller in Sichtweite als vermutet“, fügte Hecht hinzu.
Das weckte Erinnerungen an den legendären 104,80-m-Wurf des Potsdamers Uwe Hohn vor sieben Jahren, die bis heute einzige Über-100-m-Weite in der Welt. Mit einem Speer, der zwei Jahre später auf IAAF-Beschluß nicht mehr verwendet werden durfte, weil der Weltverband per 1. April 1986 neue Gerätebestimmungen einführte. Sie sahen eine Korrektur des
Schwerpunkts beim Speer vor, und zwar eine Schwerpunktverlagerung weiter nach vorn. „Ich finde das nicht gut, weil darunter eindeutig die Schönheit des Speerwerfens leidet. Ein Speer muß fliegen und soll nicht herunterfallen“, äu-ßerte Hohn damals.
Die damaligen Überlegungen der IAAF, auf diese Weise 100-m-Flüge einzuschränken, schließlich hat man im Stadioninneren auch nicht unbegrenzt Platz, scheinen angesichts der 96,96 m von Räty fehlzuschlagen. Wird die-IAAF nun wieder Regeländerungen ersinnen? Mit dem Verbot des sogenannten Nemeth-Speers - vom einstigen ungarischen Weltklassewerfer Miklos Nemeth, 1976 in Montreal mit Weltrekord von 94,58 m Olympiasieger, entwickelt - nach der WM hat sie es längst getan.
Mit dem Nemeth-Speer katapultierte sich am Sonntag in Jena der
Magdeburger Raymond Hecht an die Spitze der deutschen Speerwerfer-Gilde. Mit 87,36 m verbesserte er den seit vier Jahren gültigen deutschen Rekord um 72 Zentimeter. „Der Nemeth-Speer hat durch veränderte Griffwicklung eine viel flachere Flugbahn“, erklärte der neue Rekordhalter. „Das führt dazu, daß der Speer nicht wie ein Stein vom Himmel fällt, sondern flach einsticht. Dabei kann man bis zu zwei Metern gutmachen.“ Er liebe den Speer aber nicht einmal besonders. „Er ist verführisch, denn wenn er nächste Saison nicht mehr gilt, habe ich vielleicht Probleme, mit einem anderen auf ähnliche Weiten zu kommen.“
Der 22jährige Hecht, im Vorjahr nur EM-Zehnter, legte gleich über zehn Meter zu seiner diesjährigen Bestweite zu. „Ich habe nicht anders trainiert als sonst, mal mit dem Nemeth-Speer, mal mit dem
auch in Zukunft statthaften Sandvik-Speer“, konnte er kein „Geheimnis“ lüften. Er habe zwar in Magdeburg keine Arbeit, denn seit März ist er als Maschinenanlagenmonteur auf Null-Stunden-Kurzarbeit gesetzt, aber beim Klub „ganz ordentliche Trainingsbedingungen, auch wenn die Kraftgeräte und alles Drumherum schon ganz schön veraltet ist“. Er möchte auch seinen noch jungen Trainer Ralf Wollbrügg (34 Jahre) nicht missen. „Wir verstehen uns gut. Außerdem habe ich in Magdeburg mit Olaf Händel und Volker Hadwich zwei prima Kumpel in der Trainingsgruppe. Wir schaukeln uns gegenseitig hoch. Deshalb denke ich auch trotz meiner beruflich mißlichen Lage nicht an einen Vereinswechsel westwärts.“ Und nach der WM, so hofft er, findet er in Magdeburg bestimmt „eine Umschulung ins Kaufmännische“.
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