Perforierte und transformierte Städte

Stadtplaner diskutierten über die Zukunft schrumpfender Städte

  • Jutta Blume
  • Lesedauer: 3 Min.
Deutsche Städte schrumpfen, vor allem im Osten. Wie mit dem Wohnungsleerstand und den ökonomischen Folgen umzugehen ist, war Thema der Veranstaltung »Die Gestaltung der Leere« im Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) Mitte Februar.
Um die Existenz ganzer Städte zu retten, sind neue Flächennutzungen und neue Arbeits- und Produktionsformen notwendig, so der Veranstalter. Wie diese genau aussehen sollen, darüber waren sich die Architekten und Soziologen allerdings uneinig. Während einige mehr »Laissez-faire« und Eigeninitiative forderten, setzten andere auf mehr staatlich geplantes Handeln. Rückläufige Bevölkerungszahlen, die Abwanderung von Ost nach West aber auch der Wegzug ins Umland der Städte haben dazu geführt, dass die Bevölkerung der ostdeutschen Städte zwischen 1989 und 1999 um durchschnittlich zehn Prozent abgenommen hat. Beginnen die Städte einmal zu schrumpfen, so werden sie auch für die Bewohner immer unattraktiver, so Professor Heinrich Mäding vom Difu: Die sinkende Nachfrage führe zur Schließung öffentlicher Einrichtungen und so müssen die Bewohner immer weitere Wege in Kauf nehmen. Auch für die Kommunalverwaltungen ist der Schwund ein Problem: sinkende Einwohnerzahlen bedeuten weniger Einnahmen. Das Bundesbauministerium versucht seit einem Jahr den zunehmenden Leerstand durch das Programm »Stadtumbau Ost« zu bekämpfen. Der »Rückbau«, so die offizielle Bezeichnung für Abriss, auf Dauer nicht mehr benötigter Wohnungen verschlingt einen großen Teil der Fördermittel. Im Jahr 2002 wurden 97 Millionen Euro für den Rückbau von 45000 Wohnungen vergeben, bis 2009 sollen 350000 Wohnungen der Abrissbirne zum Opfer fallen. Albrecht Göschel vom Difu stellte drei Modelle des Rückbaus vor. Die »perforierte Stadt« sieht den punktuellen Abriss leer stehender Gebäude vor. Die entstehenden Freiflächen könnten kurzfristig genutzt oder mit Einfamilienhäusern bebaut werden. Geeignet sei dieses Konzept allerdings nur in Städten, die prinzipiell nicht in ihrer Existenz gefährdet seien. Bei der »transformierten Stadt« handelt es sich um ein Konzept flächigen Abrisses, wobei die Grundsubstanz erhalten bleiben soll. Eine Bürgerbeteiligung soll die Orte ermitteln, zu denen die Einwohner einen besonderen symbolischen Bezug haben. Zu befürchten sei jedoch, dass diese symbolischen Ortsbezüge individuell sehr verschieden sein könnten. Neben städtebaulichen Strategien müsse man auch die Stadt als Lebens- und Wirtschaftsraum betrachten. So richtete sich das dritte Konzept auf die Entwicklung neuer, lokaler Wirtschaftsformen, mit denen die negativen Folgen der Deindustrialisierung kompensiert werden können. Die Bürger werden aufgefordert, selbst die Initiative zu ergreifen und alternative, beispielsweise nachbarschaftliche, Ökonomien zu entwickeln, um ihre niedrigen Einkommen aufzubessern. Einen grundlegenden Mentalitätswechsel in der Stadtplanung forderte dagegen Professor Philipp Oswaldt von der Technischen Universität Berlin. Viel zu lange hätte sich Planung an staatlichen Förderprogrammen orientiert. Weil die Schrumpfung nicht länger über Subventionen abzufangen sei, müssen neue Finanzierungsformen gefunden werden. Wie diese konkret aussehen sollten, sagte er nicht. Als Erfolgsmodelle nannte er die Industriestädte Detroit oder Manchester, wo eine »aggressive Identifikation mit dem Versagen« stattgefunden habe, aus der sich neue Musikkulturen entwickelt haben. Ob sich dieses Erfolgsrezept auf die alternde Bevölkerung ostdeutscher Städte übertragen lässt, ist fraglich. Einen stärkeren Fluss öffentlicher Gelder forderte dagegen der Architekt Wolfgang Kil. Wenn es nach ihm ginge, sollten brachliegende Flächen, darunter fallen ehemalige Städte, Tagebaue oder Industriegebiete, wieder in Natur verwandelt werden. Sie stünden dann der Bevölkerung als Nationalparks zur Verfügung. Den Einwohnern strukturschwacher Gebiete solle der Staat Existenzgeld zahlen, statt sich an Konkursunternehmen zu beteiligen.
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