Dieser Text ist Teil des nd-Archivs seit 1946.

Um die Inhalte, die in den Jahrgängen bis 2001 als gedrucktes Papier vorliegen, in eine digitalisierte Fassung zu übertragen, wurde eine automatische Text- und Layouterkennung eingesetzt. Je älter das Original, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass der automatische Erkennvorgang bei einzelnen Wörtern oder Absätzen auf Probleme stößt.

Es kann also vereinzelt vorkommen, dass Texte fehlerhaft sind.

  • Politik
  • „Great Lovers in History“ von Nickelodeon auf der Probebühne des Grips-Theaters

Knitterfreies Vergnügen

  • Lesedauer: 3 Min.

Wie klettert man in seine frisch gebügelte Anzughose, ohne daß gleich wieder Falten drin sind? Die Hose auf den Boden schlabbern lassen und einfach hineinsteigen - das geht schon mal nicht! Die einzige Möglichkeit funktioniert zu zweit: einer hält die Hose gerade und geöffnet, der andere macht einen Handstand an den Rücken des Partners und läßt seinen Körper über dessen Schultern nach vorn in die Hose gleiten. So einfach ist das! Zumindest, wenn man William und Wilma alias Mark Britton und Krissie IIling dabei zusieht. Als Duo „Nickelodeon“ gewähren sie tiefen Einblick in die Vorbereitungen zu ihrer Show da wird sich gekämmt und rasiert, geschminkt und parfümiert (und dabei immer wieder zum falschen Flaschen oder Tübchen gegriffen), und

zum letzten Mal noch einige Brocken Deutsch einstudiert bis das Licht verlöscht und die Garderobensituation blitzschnell in eine Bühnensituation übergeht. Im „Great Lovers of History“ (Große Liebende in der Geschichte) bleibt „Romeo und Julia“ bis zu „King Kong und der wei-ßen Frau“ kein berühmtes Liebespaar ungeschoren.

„Schau mir in die Augen, Kleines!“ - dieser Satz aus „Casablanca“ bekommt eine völlig neue Bedeutung, denn Wilma und William sind beide stark kurzsichtig und verlieren ausgerechnet in dieser Szene ihre markanten Maulwurfbrillen. Überhaupt haben sie es schwer, es ihren Vorreitern Bogart und Bergman gleichzutun: Dem Nickelodeon-Bogart will die „Coolness“

nicht so recht gelingen. Lässig läßt er sich von seiner Partnerin die Zigarette aus dem Mund nehmen, hundertmal hat er sich die Szene schon angesehen, doch der Glimmstengel bleibt an seiner Lippe kleben und führt zu einem höchst unsouveränen Fall auf den Bühnenboden.

So folgt eine absurde Szene der nächsten, die beiden Engländer blödeln ohne Scham und Hemmungen, verdrehen die Augen, verrenken sich und parodieren, was das Zeug hält. Verständnisschwierigkeiten gibt es nicht: die beiden übersetzen sich gegenseitig, ansonsten sprechen die Bilder für sich. Ihr Programm ist britisch, eine Comedy-Show mit viel Slapstick, Akrobatik und Entertainment, irgendwo zwischen „Stan und Ollie“ und

den Monty Pythons anzusiedeln. Die Übergänge von Liebespaar zu Liebespaar werden ohne Rücksicht auf chronologische oder dramaturgische Genauigkeit herbeigezaubert. Körperbeherrschung ist die Voraussetzung Nummer Eins für das Programm von Nickelodeon. Ob sie ihre grotesken Tänzchen vorführen, um die Wette schielen oder Wilma als „Carmen“ genau an der Stelle durch die Wand bricht, wo auf der anderen Seite ausgerechnet William steht - alles zeugt von jahrelangem harten Training und gut durchdachtem Zusammenspiel, an keiner Stelle ist ihnen die Anstrengung anzumerken- Alles passiert wie von selbst, ist mal albern, mal hintergründig, manchmal derb, dann wieder leicht und zart, und auf jeden Fall immer komisch.

- Anzeige -

Andere Zeitungen gehören Millionären. Wir gehören Menschen wie Ihnen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.

Dank der Unterstützung unserer Community können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen ins Licht rücken, die sonst im Schatten bleiben
→ Stimmen Raum geben, die oft zum Schweigen gebracht werden
→ Desinformation mit Fakten begegnen
→ linke Perspektiven stärken und vertiefen

Mit »Freiwillig zahlen« tragen Sie solidarisch zur Finanzierung unserer Zeitung bei. Damit nd.bleibt.

- Anzeige -
- Anzeige -