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Sozialisten haben Parteichef wiedergewählt
Olivier Faure ist sich einig mit dem Herausforderer in der Suche nach Einheit
Die Sozialistische Partei hat die Weichen gestellt für den zukünftigen Kurs. Am Donnerstag bestimmten die Parteimitglieder den neuen Vorsitzenden – der erneut der alte ist: Nationalsekretär Olivier Faure. Per Direktvotum bestimmten die Parteimitglieder ihren Vorsitzenden, der seit 2018 die Partei führt. Faure gewann mit hauchdünnem Vorsprung: 50,9 Prozent der Stimmen.
Aus der Vorrunde am 29. Mai, an der sich von den rund 40 000 Parteimitgliedern nur knapp 25 000 beteiligt hatten, waren Faure mit 42,21 Prozent und der Bürgermeister von Rouen, Nicolas Mayer-Rossignol, mit 40,38 Prozent der Stimmen hervorgegangen, gefolgt vom Fraktionsvorsitzenden der PS in der Nationalversammlung, Boris Vallaud (17,41 Prozent).
Letzterer hatte daraufhin seinen Anhängern freigestellt, für wen sie sich bei dem Duell vom Donnerstag zwischen Faure und Mayer-Rossignol entscheiden sollten. Doch in einem Interview gestand er ein, dass er persönlich für Faure votieren werde. Auf diesen waren dann in der Nacht zum Freitag 50,9 Prozent der Stimmen entfallen und auf seinen Herausforderer 49,1. Nur wenige hundert Stimmen trennen die beiden.
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Vorbereitung auf den 80. Parteitag
Die Wahlbeteiligung war diesmal kaum besser als in der ersten Wahlrunde, doch das Ergebnis war klarer und eindeutiger als beim vorigen Parteitag im Januar 2023 in Marseille. Seinerzeit hatte es schon einmal ein Duell zwischen Faure und Mayer-Rossignol gegeben, das Faure knapp für sich entschied, wobei es allerdings viel Missstimmung wegen des Verdachts von Wahlmanipulationen gegeben hatte.
Die Wahl des Vorsitzenden gilt als Vorbereitung auf den 80. Parteitag der Sozialisten, der vom 13. bis zum 15. Juni in Nancy stattfinden wird und die Weichen für die Zukunft stellen soll, was Bündnisse innerhalb der Linken angeht. Faure und Mayer-Rossignol repräsentieren die zwei größten Flügel innerhalb der Sozialistischen Partei, die einander nicht nur in zahlreichen taktischen, sondern auch in einigen strategischen Fragen erbittert gegenüberstehen.
Inzwischen zeigt sich Faure aufgeschlossener für den von seinem Herausforderer Mayer-Rossignol propagierten Kurs, die französische Sozialistische Partei nach deutschem Vorbild zu »sozialdemokratisieren«.
Dabei geht es vor allem um die Frage, wie sich die Sozialistische Partei zur Einigung der Linken verhalten soll, ohne die es keine Chance gibt, jemals wieder einmal regierungsfähig zu werden. Mayer-Rossignol und andere innerparteiliche Gegenspieler, von denen nicht wenige vorübergehend ausgetreten sind oder ihre Mitgliedschaft ruhen lassen, haben der von Faure geführten und auf die Hälfte der Mitgliedschaft geschrumpften Partei vorgeworfen, sich in ihrem Einheitsstreben dem populistisch-radikalen Kurs der Bewegung La France insoumise (LFI) zu unterwerfen und sich durch deren Anführer Jean-Luc Mélenchon manipulieren und für dessen Präsidentschafts-Ambitionen instrumentalisieren zu lassen.
Besonders zugespitzt hat sich das nach den Angriffen der Hamas-Bewegung gegen Israel am 7. Oktober 2023, weil Mélenchon und LFI sich weigerten, Hamas als terroristische Bewegung zu bezeichnen und ihre Massaker eindeutig zu verurteilen. Daraufhin entschied der PS-Nationalrat, das »Parteiparlament«, mit 54 Prozent der Stimmen, die Beteiligung an Aktivitäten der von LFI dominierten Neuen Volksfront bis auf Weiteres »auszusetzen«. Dasselbe tun praktisch auch die Kommunisten und die Grünen, ohne dass sie es offiziell erklärt haben.
Suche nach linken Bündnispartnern jenseits von LFI
Inzwischen zeigt sich Faure aufgeschlossener für den von seinem Herausforderer Mayer-Rossignol propagierten Kurs, die französische Sozialistische Partei nach deutschem Vorbild zu »sozialdemokratisieren«. Außerdem soll im Interesse einer innenpolitischen Stärkung der Sozialisten nach linken Bündnispartnern gesucht werden, die an einer Sammlung der Kräfte unter Ausschluss von Mélenchon und LFI mitarbeiten wollen.
Dazu gehören beispielsweise die von dem Philosophen Raphaël Glucksmann gegründete und geführte Bewegung Place publique, mit der die PS schon einmal bei der Europawahl 2024 zusammengegangen ist, oder der Kreis um den Abgeordneten François Ruffin, der sich enttäuscht und verbittert von der Bewegung La France insoumise abgewandt hat. Ob man dazu auch die Kommunisten und die Grünen zählen kann, muss sich erst noch zeigen.
Wer tritt 2027 für die Linke als Präsidentschaftskandidat an?
In Vorbereitung der Wahl des PS-Vorsitzenden konnte Olivier Faure bereits eine positive Bilanz der vorsichtig neu ausgerichteten Parteilinie ziehen. So erhöhte sich bei der 2024 durch die Parlamentsauflösung nötig gewordenen Neuwahl die Zahl der PS-Abgeordneten auf 66, während es bei der Wahl 2022 erst 31 gewesen waren, bei der Europawahl 2024 konnte die PS die Zahl ihrer Abgeordneten von drei auf zehn steigern.
Für die Zukunft haben sich sowohl Faure als auch sein bisheriger Gegner Nicolas Mayer-Rossignol die vom Fraktionsvorsitzenden Boris Vallaud propagierte Forderung zu eigen gemacht, dass es vor allem darauf ankommt, die Partei zu stärken, indem interne Differenzen ausdiskutiert werden und um jeden Preis Streit vermieden wird. Dem dürfte entgegenkommen, dass man sich in der PS inzwischen einig zu sein scheint, dass Jean-Luc Mélenchon und dessen Bewegung La France insoumise keine seriösen Partner mehr sind.
Streit vermeiden bedeutet aber auch, das Reizthema, wer statt Mélenchon bei der Präsidentschaftswahl 2027 für Frankreichs Linke kandidieren soll, vorläufig zu umgehen und auf eine möglichst lange Bank zu schieben.
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