1. Januar 2003 - wichtiger Stichtag im Kündigungsschutz

  • Prof. Dr. Joachim Göhring, Rechtsanwalt
  • Lesedauer: 3 Min.
Seit dem Erlass des Schuldrechtsanpassungsgesetzes (SchuldRAnpG) stand fest, dass der weit reichende Kündigungsschutz des § 23 mit dem Ablauf des 31.Dezember 2002 für bestimmte Sachverhalte endet: Dann, wenn das Grundstück/die Parzelle durch den Nutzer nicht bis zum 16. Juni 1994 bebaut wurde. Folgende Fälle dürften daher betroffen sein: - Eine unbebaut übernommene Fläche wurde in diesem Zustand belassen, oder es wurden nur unwesentliche Bauten errichtet, z. B. ein Stall für Meerschweinchen, ein Geräteunterstellschuppen usw. - Es erfolgte zwar eine wesentliche Bebauung, aber erst ab dem 17. Juni 1994. - Der in der DDR abgeschlossene Nutzungsvertrag bezog sich sowohl auf die Bodennutzung als auch auf die Nutzung bereits vorhandener Baulichkeiten, die gleichfalls zur vertraglichen Nutzung überlassen wurden. - Die Baulichkeit wurde nicht »entsprechend den Rechtsvorschriften der DDR errichtet« - §§ 12, 15 SchuldRAnpG -, es handelt sich folglich um einen so genannten Schwarzbau. Die vorstehenden Sachverhalte dürften im wesentlichen eindeutig zu erkennen sein. Seit Jahresbeginn darf in ihnen unter Einhaltung der sich aus dem konkreten Vertrag bzw. aus den anzuwendenden miet- oder pachtrechtlichen Regelungen des BGB ergebenden Fristen gekündigt werden, ohne dass es der Anführung bzw. Nachprüfung eines Grundes bedarf. In diesen Fällen gilt auch nicht der lebenslängliche Kündigungsschutz für am 3. Oktober 1990 60-jährige Nutzer. Aktuell wird jedoch weitergehend in der Literatur durch Rechtsanwalt Gunnar Schnabel (ZOV 2003/17ff; Das Grundeigentum, Nr. 24/2002, S.1610 ff), anknüpfend an von ihm schon vorher vertretene Meinungen, der Standpunkt eingenommen, dass ein solcher Sachverhalt der Nichtbebauung auch dann vorliege, wenn die an sich wesentliche Bebauung durch einen vertraglichen Nutzer erfolgte, dann jedoch ein Nutzerwechsel vollzogen wurde. Im Sinne der Auffassung von Schnabel geht es um jene Fälle, bei denen ein Nutzerwechsel im Einklang mit dem Merkblatt des Bundesministeriums der Justiz zum Nutzerwechsel bei Erholungsgrundstücken vom 1. Juli 1996 vollzogen wurde: Der bisherige Nutzer des Grundstücks / der Parzelle und Eigentümer der Baulichkeit schließt einen Kaufvertrag über die Baulichkeit, der Grundstückseigentümer entlässt den bisherigen Nutzer aus dem Rechtsverhältnis und gestattet dem Erwerber der Baulichkeit die weitere Grundstücksnutzung. Der Sinn dieses so genannten dreiseitigen Vertrages ist es ja gerade, dass das bisherige vertragliche Bodennutzungsverhältnis kontinuierlich fortgesetzt wird, ohne dass es beendet und ein neues begründet wird. Würde es sich demgegenüber um eine Beendigung mit anschließendem Neuabschluss handeln, so würde das Eigentumsrecht an der Baulichkeit an den Grundstückseigentümer fallen - § 11 SchuldRAnpG - und nicht auf den Erwerber übergehen. Nur durch den dreiseitigen Vertrag wird der Erwerber der Baulichkeit Rechtsnachfolger des Nutzers im gesamten Rechtsverhältnis, mit der Folge, dass auch das SchuldRAnpG weiterhin Anwendung findet. Es ist bekannt, dass solche Nutzerwechsel bereits in der DDR vollzogen wurden, verstärkt aber auch in den letzten Jahren im Hinblick auf den Wunsch älterer Nutzer, die Nutzung zu beenden und Verwandten bzw. Bekannten die Fortsetzung zu ermöglichen. Die Formulierung im § 23 Abs. 6 SchuldRAnpG »...die der Nutzer nicht ... bebaut hat...« trifft nur zu, wenn die Bebauung weder durch den aktuellen Nutzer des Stichtages 31. Dezember 2002 / 1. Januar 2003 erfolgte, noch durch einen seiner Rechtsvorgänger hinsichtlich des Baulichkeiteneigentums und der Grundstücksnutzung. (Siehe auch Ratgeber Nr. 574 vom 5. Februar 2003, Seite 5)

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