Ender: „Von Doping nichts geahnt*
Die Trainer der ehemaligen DDR machen es sich bei der Bewältigung der Doping-Vergangenheit zu einfach. Mit. Kritik hat die frühere Weltklasseschwimmerin Kornelia Grummt-Ender auf die Erklärung von 20 Ostbetreuern reagiert', die sich in einem Schreiben an den Deutschen Schwimm-Verband dazu bekannt haben, vom Einsatz unerlaubter Mittel gewußt zu haben. Ihr sei alles verheimlicht worden.
„Schon möglich, daß wir etwas bekommen haben“, räumt die 33jährige heute bei Mannheim lebende vierfache Goldmedaillengewinnerin von Montreal 1976 in einem Interview mit der in London erscheinenden „Times“ inzwischen allerdings ein. „Ich kann nur bestätigen, daß mir Injektionen verabreicht wurden.“ Für die Trainer sei es jetzt leicht, alles zuzugeben, doch die Verlierer seien die Aktiven. „Auf
uns wird mit Fingern gezeigt. Dabei müßten vor allem die Ärzte an den Pranger gestellt werden: „Sie sind die eigentlich Schuldigen, sie wußten genau, was sie tun.“
Sie habe nicht einmal geahnt, daß ein Dopingproblem existiert. Niemand habe darüber gesprochen, das Thema sei totgeschwiegen worden. „Möglich, daß uns in der Schule etwas dem Essen oder Trinken beigemischt wurde. Wir hatten unseren eigenen Koch.“ Entschieden wehrt sie sich allerdings dagegen, daß auch mit Kindern experimentiert wurde. „Als ich noch sehr jung war, habe ich weder Pillen noch Spritzen bekommen.“
Nach dem Geständnis der Trainer erinnert sich Kornelia Ender nun an Merkwürdigkeiten, die ihr damals niemand erklären wollte. So beispielsweise, als die damals 17jährige im Jahr
vor den Spielen in Montreal ohne ersichtlichen Grund immer kräftiger wurde. „Ich wunderte mich selbst, daß ich, ohne gewachsen zu sein, plötzlich acht Kilo mehr wog.“ Nach all den Jahren ist Kornelia Ender nun ein Licht aufgegangen. Die Bedeutung der verordneten Spritzen und Pillen hat sie durchschaut. Die Beteuerungen, es handele sich nur um harmlose Aufbau-Präparate zur Förderung der Regeneration, sind als Lüge enttarnt.
„Wenn es sich einer zu leicht macht, dann der DSV“, sagte der Hamburger Olympia-Stützpunkttrainer Jürgen Greve. Der seit Jahren als scharfer Kritiker des Verbandes geltende Greve vermißt eine klare Linie. „Warum wurde nicht deutlich gemacht, wer die Drahtzieher waren und welche Köpfe gerollt sind oder noch rollen?“
ANDREAS BELLINGER
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