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Spieltrieb

  • Lesedauer: 2 Min.

Platini übte zwischen lothringischen Telegrafenmasten das Dribbeln. Bei Thomas Häßler denke ich an den Zauber einer Blechdose am Rinnstein einer Großstadtstraße. Der Fuß muß dran! Und Jahre später geht der Ball im letzten Moment in den letzten Winkel. Euro '92.

THOMAS HASSLER: Kein Lotterieschwede Foto: dpa

Nun ist der 26jährige vom AS Rom „Fußballer des Jahres“. Kein Lotterieschwede. Es ist (vor Buchwald und Chapuisat) der verdiente Sieg eines selten gewordenen Spieltriebs. Vor zwei Jahren bei der WM in Italien hieß es, Beckenbauer habe ein Kind bekommen. Häßler. Ein Kleiner hatte sich mit seinem Ehrgeiz verheddert im Druckkessel dieses Championats, kam kaum noch auf die Beine aber dann doch noch zu sich, weil der Teamchef ihn nicht fallenließ. Wege aus Köln über Juventus Turin nach Rom waren weitere harte Prüfungen eines ohnehin absturzgefährdeten Selbstbewußtseins.

Das Mittelfeld ist heutzutage ein Hochsicherheitstrakt. Fußball? Nur noch Zähigkeiten zehn Meter links und rechts vom Anstoßpunkt. Da inmitten wirkt der 1,66 Meter große „Icke“ wie ein Irrlicht. Häßler sucht Räume, für Tricks ganz eng und Pässe ganz weit. Aber er braucht für seine Zaubereien die abfedernde Kraft einer Truppe, ist anfällig für Streicheleinheiten. Aber der einstige Bauzeichnerlehrling weiß, wie unkompliziert man vieles erledigen kann: „Du probierst, die Nuß reinzumachen. Fertig. Es gibt keine Geheimnisse im Fußball.“

Nach der deutschen EM-Niederlage in Göteborg war Thomas Häßler der einzige, der in der Kabine hemmungslos heulte. Als habe ihm einer die Blechdose genommen.

H.-D. SCHUTT

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