CDU ehrt den Nazi-Richter Filbinger

Nachdem der Empfang in Freiburg ausfällt, plant die Landesregierung eine Feierstunde

  • Anke Engelmann
  • Lesedauer: 3 Min.
Die CDU/FDP-Landesregierung von Baden-Württemberg will den einstigen Ministerpräsidenten Hans Filbinger (CDU) zu seinem 90. Geburtstag am 16. September mit einem Empfang ehren. Filbinger hatte während des Zweiten Weltkriegs Deserteure zum Tode verurteilt.
Unbelehrbare und beharrende Kräfte« sieht der Schriftsteller Ralph Giordano in der Stuttgarter Landesregierung, die einen Empfang für den einstigen Ministerpräsidenten Hans Filbinger plant. Giordano, der in der Nazi-Zeit dem Holocaust nur knapp entrinnen konnte, sagt mit Blick auf Filbingers NS-Vergangenheit, ihm sei unerfindlich, wie so ein Mann geehrt werden könne. Filbinger hatte im Zweiten Weltkrieg als Marinerichter an Todesurteilen gegen Deserteure mitgewirkt. Bekannt geworden sind vier Urteile, von denen eines, die Hinrichtung des fahnenflüchtigen Matrosen Walter Gröger in Gegenwart des als Anklagevertreter beteiligten Filbinger vollstreckt wurde. Bereits in den letzten Tagen hatte die von Filbingers Heimatstadt Freiburg geplante Geburtstagsfeier für Kontroversen gesorgt. Eingeladen hatten der Grünen-Oberbürgermeister Dieter Salomon und der CDU-Kreisverband Freiburg. Zur Begründung hatte man erklärt, Filbinger habe sich ungeachtet seiner Nazi-Vergangenheit später als Gemeinderat, Landtagsabgeordneter, Innenminister und Ministerpräsident um die Stadt verdient gemacht. Insofern könne man den Empfang kaum verweigern. Allerdings wurde die städtische Geburtstagsfeier als Geschmacklosigkeit kritisiert. Für Jürgen Höfflin, DGB-Chef von Südbaden-Hochrhein, ist es unverständlich, »wie die Stadt einen solchen Mann ehren kann«. Derart angegriffen, verzichtete Oberbürgermeister Salomon auf seine Teilnahme an der Feierstunde. Ebenso kündigten Abgeordnete der Grünen und anderer Parteien an, dem Festakt fernzubleiben. »Wir sind der Auffassung«, erklärten die Grünen, »dass Dr. Filbinger seinen Geburtstag in aller Stille im Kreise seiner Familie verbringen sollte. Auch sein hohes Alter ändert nichts daran, dass er eine Ehrung der Stadt Freiburg zu diesem Anlass nicht verdient hat.« Angesichts dessen sagte Filbingers Familie die Veranstaltung ganz ab und beschwerte sich über »unqualifizierte politische Angriffe«. Salomon dagegen verwies auf Filbingers »absolutes Fehlverhalten« in der Nazizeit und kritisierte, wie ungebrochen die Freiburger CDU zu Filbinger stehe. Wie zur Bestätigung bezeichnete der baden-württembergische Staatsminister Christoph Palmer (CDU) die Auseinandersetzungen um die Veranstaltung in Freiburg als »unwürdig und im Blick auf Filbingers Lebensleistung höchst bedauerlich«. Filbinger, seit 1951 CDU-Mitglied, musste vor fast genau 25 Jahren, am 7. August 1978, nach zwölf Jahren als baden-württembergischer Ministerpräsident zurücktreten, nachdem seine NS-Vergangenheit bekannt geworden war. Der Schriftsteller Rolf Hochhuth hatte 1978 in der Wochenzeitung »Die Zeit« Filbingers Mitwirkung an Todesurteilen bei Kriegsgerichtsverfahren aufgedeckt und den CDU-Politiker als »furchtbaren Juristen« bezeichnet. Obwohl Filbinger mit einer Unterlassungsklage gegen Hochhuth vorging und sich auf seine »Weisungsgebundenheit« als Richter berief, konnte er die Vorwürfe nicht entkräften. »Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein«, erklärte er in den Auseinandersetzungen 1978. Auf seiner Internetseite heißt es beschönigend: »Er war als milder Richter bekannt.« Bis heute behauptet der fast 90-Jährige, Opfer einer Rufmord-Kampagne geworden zu sein. Im Streit um den Freiburger Empfang behauptete seine Familie jetzt, die NS-Vorwürfe gegen Filbinger seien längst widerlegt. Nun springt die Stuttgarter Landesregierung in die Bresche. Dagegen wenden sich sowohl die Landtagsopposition als auch der DGB. Es sei keine Normalität, jemanden zu ehren, der seinen Hut nehmen musste, weil er an Todesurteilen unter Hitler beteiligt war, erklärte die stellvertretende DGB-Landesvorsitzende Leni Breymaier. Die geplante Ehrung sei gegenüber den Angehörigen der Nazi-Opfer geschmacklos. Kritik kam auch von SPD und Grünen. Die Landes-CDU steht indessen weiter zu Filbinger. Der ist seit 1979 bis zum heutigen Tage Ehrenvorsitzender der Christdemokraten in Baden-Württemberg.

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