Kalter Krieger ohne Skrupel

Der »Vater der Wasserstoffbombe« Edward Teller ist 95-jährig verstorben

  • Steffen Schmidt
  • Lesedauer: 3 Min.
Der ungarisch-amerikanische Physiker Edward Teller starb im Alter von 95 Jahren im kalifornischen Stanford an den Folgen eines Schlaganfalls. Er arbeitete an der Entwicklung der US-Atombomben mit und gilt als »Vater der Wasserstoffbombe«.
Zur öffentlichen Person wurde der Atomphysiker in der McCarthy-Ära vor allem durch die Zeugenaussage gegen seinen damaligen Chef, den Leiter des US-Atombombenprogramms Robert Oppenheimer, die dessen Karriere jäh beendete. Im »Manhattan-Projekt« war er allerdings schon vorher umstritten. Denn Teller hatte nicht nur einige der zentralen Ideen zum Bau der amerikanischen Wasserstoffbombe beigetragen, er hatte deren Entwicklung erst gegen den Widerstand prominenter Kollegen durchgesetzt. Als »Vater der Wasserstoffbombe« mochte er sich seit einigen Jahren nicht mehr feiern lassen. Nach einem knapp überlebten Herzinfarkt etwas bescheidener geworden, trat er diesen Ruhm an den damals frisch promovierten Physiker Richard Garwin ab, der in Los Alamos bei einem Ferienjob die entscheidende Idee beisteuerte. Nach der erfolgreichen Zündung der H-Bombe im November 1952 war Teller eine der zentralen Figuren in den Rüstungsprogrammen der USA und bei der Entwicklung der zivilen Atomwirtschaft. Sein letzter großer Coup war Ronald Reagans Sternenkriegsprogramm SDI. Skrupel scheinen ihn bei alldem nie ernsthaft geplagt zu haben. Frühere Interviews lassen zweifeln, ob seine Bemerkung bei der Verleihung der höchsten zivilen Ehrung der USA, der »Freiheits-Medaille« mehr als eine Floskel war. Teller hatte aus diesem Anlass gesagt: »Im Laufe meines Lebens musste ich einige schwere Entscheidungen treffen und ich war oft im Zweifel, ob ich richtig gehandelt habe.« Offenbar ging es ihm mit seinem Zweifel dann oft wie manchen der von ihm so gehassten Kommunisten - Im Namen der höheren Idee muss man eben einige Opfer in Kauf nehmen. In seinen vor zwei Jahren erschienenen Memoiren jedenfalls bekundet er keinerlei Bedauern über seine Mitarbeit an der Entwicklung der Kernwaffen. Er bedauere die Opfer, doch habe er nie eine Alternative zur Entwicklung dieser Waffen gesehen. Anders als viele seiner einstigen Kollegen war er ein strikter Gegner jeglicher Abrüstungsvereinbarungen mit der Sowjetunion. Probleme mit dem Wettrüsten hatte er nie. Er war einzig dagegen, dass irgendein Land eine neue Waffe im Geheimen besitzen könnte.Nach dem Ende des Ostblock scheint Teller sich auf die Bekämpfung der »Grünen« verlegt zu haben, die in seinen Augen unter Berufung auf höchst zweifelhafte Umweltgefahren den Fortschritt des menschlichen Wissens bedrohen. Teller wurde 1908 in Budapest als Sohn eines Rechtsanwalts und einer Konzertpianistin geboren. Nach der Schule begann er noch in Ungarn zu studieren, ging aber wegen des massiven Antisemitismus dort bereits 1926 nach Deutschland, wo er erst in Karlsruhe einen Abschluss in chemischer Verfahrenstechnik erwarb und dann zu Werner Heisenberg an die Leipziger Universität wechselte, um dort theoretische Physik zu studieren. Wegen der Nazis verließ Teller 1933 Deutschland. Nach Aufenthalten in Kopenhagen bei Niels Bohr und in London kam er 1935 in die USA und dort 1943 nach Los Alamos zum »Manhattan-Projekt«. Auf Tellers Initiative wurde 1952 das heutige Lawrence Livermore National Laboratory gegründet, bis heute eines der führenden kernphysikalischen Rüstungslabors in den USA. 1975 emeritiert, fuhr er dennoch bis kurz vor seinem Tode noch zweimal die Woche an seinen alten Arbeitsplatz.
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