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JVA Waldeck setzt auf Resozialisierung

Stippvisite mit Justizminister Sellering im ersten privat finanzierten Gefängnisneubau Ostdeutschlands

  • Ellen Krüger
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein Drittel der Beamten im Strafvollzug Mecklenburg-Vorpommerns sind Frauen. Anette Krienke, eigentlich Reiseverkehrskauffrau von Beruf, ist eine von ihnen. Sie arbeitet in der Justizvollzugsanstalt Waldeck bei Rostock. Die 1996 fertig gestellte Haftanstalt war der erste privat finanzierte Gefängnisneubau in Ostdeutschland. Zwei Jahre dauerten die Bauarbeiten. Über 75 Millionen Mark wurden investiert. Seit Inbetriebnahme der JVA arbeitet Anette Krienke hier. »Angst habe ich hier nie gehabt«, sagt sie. Sonst wäre sie hier fehl am Platze, fügt sie hinzu. »Natürlich ist angesichts der Verbrechen, die einige Insassen auf ihrem Konto haben, Vorsicht geboten, doch mit der nötigen Autorität bekommt man das in den Griff.« Auf die Frage, ob sich die Bediensteten in Mecklenburg-Vorpommerns Strafvollzugsanstalten mit der Erlaubnis, notfalls Pfefferspray einsetzten zu dürfen, sicherer fühlen, antworten die Vollzugsbeamten zunächst mit einem müden Lächeln. »Es ist ja eigentlich gar nicht möglich, auf den engen Fluren Pfefferspray einzusetzen, ohne sich dabei selbst zu gefährden«, erläutert Michael Perkatz. Weder er noch Anette Krienke sind jedoch nach eigenem Bekunden in dieser JVA jemals in eine Situation geraten, in der sie gewaltsam für Ordnung hätten sorgen müssen. »Wir behandeln die Insassen mit Respekt«, sagt Anette Krienke - »und mit der nötigen Distanz.« An ihren ersten Dienst in der von sechs Meter hohen Mauern umgebenen JVA kann sich die Frau kaum noch erinnern. Ehemann und Sohn hätten sich inzwischen daran gewöhnt, dass sie tagsüber »schwere Jungs« bewacht. Freilich sind auch »leichte« darunter. 270 Männer sitzen in der JVA Waldeck im so genannten geschlossenen Vollzug und 78 im offenen. Die Haftstrafen, zu denen sie verurteilt worden sind, reichen von ein paar Monaten bis lebenslänglich. Bewährt habe sich die gezielte Aufteilung der Strafgefangenen in solche, die als »resozialisierungswillig« gelten und jene, die partout nicht wollten, erzählt man uns Journalisten. So befinden sich auf einem Flur etwa 50 Gefangene, die bereit sind, die Finger von Drogen und Alkohol zu lassen. Auf einem anderen Flur sind Sexualstraftäter untergebracht. Und dann gibt es noch einen Trakt für die »Unmotivierten«. Bewacht werden die Flure von vier Beamten. Ruhe hätten sie selten, erzählen sie. Denn jeder Gang eines Gefangenen zur Arbeit, auf den Hof oder zum Arzt muss begleitet werden. Anette Krienke macht kein Hehl daraus, dass es auch hinter Gittern Ärger mit Drogen gibt - obwohl wöchentlich alle Zellen gründlich durchsucht werden. Drogen stellten sogar eines der Hauptprobleme dar. »Diejenigen Insassen, die wirklich wollen, können an Sozialtherapien teilnehmen«, erklärte die Bedienstete. Von Luxus, über den bei der Eröffnung der Anstalt hinter vorgehaltener Hand getuschelt wurde, ist indessen weit und breit nichts zu sehen. Auf die Frage nach der Schwimmhalle, die einst für Schlagzeilen sorgte, antwortet Perkatz: »Diese Schwimmhalle suche ich immer noch, bisher habe ich sie nicht gefunden.« Neben - wenigen - Arbeitsmöglichkeiten haben die Gefangenen Gelegenheit, eine Stunde pro Tag auf dem Hof spazieren zu gehen oder im Fitnessraum zu trainieren. Ansonsten gibt es wenig Abwechslung in den knapp zehn Quadratmeter großen Zellen, die mit Bett, Tisch, Stuhl, teils auch mit Fernsehgerät ausgestattet sind. Demnächst erhält die JVA ein weiteres Gebäude. »Wir bauen eine Sozialtherapie-Station«, berichtete Mecklenburg-Vorpommerns Justizminister Erwin Sellering (SPD), der einen Tag lang eine der Bediensteten begleitete. Es gebe Sexual- und Gewaltstraftäter, die nie mehr aus den Gefängnissen entlassen werden dürfen, sagt Sellering. Schließlich habe man genügend Beispiele dafür erlebt, dass manche Straftäter nicht therapierbar seien. »Um das zu entscheiden, brauchen wir professionelle Diagnoseverfahren. Deren Ergebnisse müssen hieb- und stichfest sein.« Schließlich, so der Minister, gehe es in erster Linie um die Sicherheit der Bevölkerung. Waldeck gehört zu den sichersten Haftanstalten des Landes, heißt es. Bislang, so ein Sprecher des Justizministeriums, sei nur einem Häftling die Flucht gelungen. »Aber auch der war nach sechs Wochen wieder hier drin«.

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