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Wer zahlt bei Konkurs?

Sabine Fischer

  • Lesedauer: 3 Min.
Sabine Fischer ist seit 1992 Reiserechtsexpertin in der Verbraucherzentrale Brandenburg. Daneben vertritt die Juristin die Organisation in der Deutschen Gesellschaft für Reiserecht.
ND: Tausende Touristen haben Probleme, weil Aero Lloyd Pleite ist. Wer bezahlt?
Fischer: Unternehmen wie TUI, Öger-Tours oder Thomas Cook stellen für Pauschalreisende, die Flug und Unterbringung als Paket buchten, Ersatzmaschinen zur Verfügung. Viele Reisende werden auch über Umwege nach Hause gebracht. Gegebenenfalls stellen die Veranstalter zusätzliche Übernachtungen. Alle diese Leistungen werden von ihnen bezahlt. Die Reiseveranstalter haben also ihre Verträge zu erfüllen und für die Fluggesellschaften einzutreten. Individualreisende, die im Reisebüro oder direkt bei Aero Lloyd nur einen Flug orderten oder Fly-Only-Buchungen über das Internet vornahmen, sind dagegen bedeutend schlechter gestellt. Sie müssen sich in der Regel selber um ihren Flug kümmern. Ihnen werden auch keine der zusätzlich anfallenden Kosten erstattet. Im Gegensatz zu Reiseveranstaltern haben nämlich Fluggesellschaften nicht einmal Insolvenzversicherungen.

Deren Geld ist endgültig weg?
Individualreisende können ihre Ansprüche lediglich bei der Konkursmasse von Aero Lloyd geltend machen, sofern es eine geben wird. Doch selbst dann ist da meist nicht viel zu holen. Erst einmal sind die Sozialversicherungen, die Beschäftigten und die Banken dran. Wer mit Lastschrift bezahlt hat, kann den Betrag innerhalb von sechs Wochen zurückbuchen lassen. Wer eine Kreditkarte nutzte, sollte schnellstens seine Kreditkartengesellschaft anweisen, nicht zu zahlen. Barzahler und Überweiser haben leider Pech.

Können Reisende den ursprünglichen Reisepreis mindern?
Selbstverständlich. Kann der Urlaubsort nicht oder nur verspätet erreicht werden, müssen die Reisekosten vollständig oder teilweise erstattet werden. Dies gilt auch wieder nur für Pauschaltouristen. Flugzeitverlegungen sind am ersten und letzten Tag des Urlaubs hinzunehmen.

Wer kommt dafür auf, wenn ein Reisender wegen der verspäteten Heimkehr unbezahlten Urlaub nehmen muss oder als »Spätheimkehrer« gar gekündigt wird?
Damit Schadensersatzansprüche greifen können, muss im Pauschalgeschäft ein konkret nachweisbarer Schaden beim Kunden und eine Schuld beim Reiseveranstalter vorliegen. Am Konkurs einer Fluggesellschaft ist der Veranstalter aber juristisch unschuldig. Die Reisenden können sich deshalb nur an die Konkursmasse der Fluggesellschaft halten - genauso wie die Individualbucher. Arbeitgeber dürfen niemanden kündigen, der wegen der Pleite einer Fluggesellschaft zu spät aus dem Urlaub zurückkehrt. Man muss sie aber telefonisch informieren.

Der Deutsche Reisebüro- und Reiseveranstalter-Verband hat gefordert, für die Luftfahrtbranche müsse im Fall einer Pleite dasselbe gelten, wie bei Reiseveranstaltern. Wie könnte eine solche Regelung aussehen?
Die Verbraucherzentralen fordern eine bessere Absicherung von Reisenden im Flugverkehr. Dafür könnte eine Pflichtversicherung eingeführt werden, die im Falle einer Insolvenz den Reisepreis erstattet und die Rückreise übernimmt. Oder es wird von den Fluggesellschaften ein gemeinsamer Garantiefonds gebildet.

Warum wurden die Reisenden nicht schnell noch zurückgeholt?
Beantragt ein Unternehmen die Insolvenz, wird augenblicklich dicht gemacht, um die Gläubiger zu schützen.

Fragen: Uwe Witt
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