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Zinnsoldaten im Schloss des Reiterhelden
Rund um Berlin: Preußen, Kalk und Brecht
Allgegenwärtig ist im Ort der brandenburgische Generalfeldmarschall Georg Freiherr von Derfflinger, der einst das Schloss bewohnte. Obwohl als »geringer Leute« Kind im österreichischen Neuhofen geboren, diente er sich in der schwedischen Armee in kurzer Zeit bis zum Generalmajor hoch, heiratete in der Berliner St. Marienkirche die älteste Tochter seines Kriegskameraden, Margaretha Tugendreich von Schapelow, und zog sich nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges gut begütert nach Gusow zurück. Sein Ruhm als legendärer Reiterführer begründete Derfflinger im Dienst des brandenburgischen Kurfürsten Friedrich Wilhelm. Besonders in der siegreiche Schlacht 1675 bei Fehrbellin.
Sohn und Erbe Friedrich baute das väterliche Anwesen dann zu einem Schloss aus, erweiterte den Park und ließ in der Kirche dem Vater ein Denkmal setzen. Nach Friedrichs Tod gingen die Güter in den Besitz derer von Marwitz (als Verwandte der Derfflingers) über, die in der Folge rund um das Schloss einen der schönsten und größten Barockgärten Preußens anlegen ließen. Der letzte Umbau erfolgte um 1870 im Stil englischer Landsitze und konnte dank umfangreicher Sanierungsarbeiten in dieser Form bis heute erhalten werden.
Hier hat auch das erste Zinnfigurenmuseum zur brandenburgisch-preußischen Geschichte eine Bleibe gefunden. »Bei uns wird die bewegte Historie dieser Region auf Schautafeln dokumentiert, als Zinnfigurenszenen nachgestellt und zur jeweiligen Begebenheit ein originales Schaustück, eine Rüstung etwa, in Vitrinen präsentiert«, schwärmt Peter Engelhardt, der an den Wochenenden sachkundig durch die Räume führt. Zudem illustrieren ungezählte Waffen, Urkunden, Handwerkszeuge und Gebrauchsgegenstände die Höhepunkt der Landesgeschichte vom Beginn der Besiedlung bis heute.
Nach einer Stärkung im gemütlichen Schlossrestaurant erreicht man über Seelow und die B 1/5 in Rüdersdorf ein historisches Ziel ganz anderer Art. Insgesamt 17 Bau- und technische Denkmäler aus mehr als vier Jahrhunderten erzählen von der Geschichte des Rüdersdorfer Schatzes, dem riesigen Muschelkalkvorkommen, seinem Abbau und seiner Verarbeitung. Man kann hier Fossilien finden, die Zementfabrik besichtigen, Bauwerke bewundern, Tiere füttern und auf einem Jeep in den Steinbruch fahren. Aber auch Künstler vieler Genres ließen sich zu allen Zeiten schon von der bizarren Kulisse der Kalksteinbrüche inspirieren. Hier entstanden klassizistische Baukunstwerke, Bilder romantischer Maler, Dichtungen, Dokumentar- und berühmte Spielfilme wie »Der Tiger von Eschnapur«.
Zuvor lohnt ein Abstecher nach Buckow, der Perle in der Märkischen Schweiz. Schon Bertolt Brecht und Helene Weigel fanden Anfang der 50er Jahre Gefallen an dem idyllischen Ort und richteten sich direkt am Ufer des Schermützelsees ihren Sommersitz ein, der seit 1977 Museum ist. Neben originalen Möbeln des Künstlerpaares sind Fotos, Dokumente und der originale Planwagen aus dem Stück »Mutter Courage und ihre Kinder«, den Helene Weigel an die 500 Mal über die Bühne gezogen hat, zusammen mit ihren Kostümen zu sehen.
Information: Schloss Gusow: Schlossstraße 7, 15306 Gusow, Tel. (03346) 8725, Museumspark Baustoffindustrie Rüdersdorf, 15562 Rüdersdorf, Heinitzstr. 11, Tel. (033638) 76510; Brecht-Weigel-Haus Buckow, Bertolt-Brecht-Str. 30, 15377 Buckow, Tel. (033433) 467.
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