In den letzten elf Jahren hat sich die Zahl der Kleinlasttransporter (bis 3,5 Tonnen) auf den Straßen verdoppelt. Mit ihnen stieg auch die Zahl der Unfälle mit Verletzten. Zwei Drittel der Crashs verursachten die Transporter, fand das Verkehrstechnische Institut der Deutschen Versicherer in einer Studie heraus, die gestern in Berlin vorgestellt wurde.
Rund 1,9 Millionen Kleintransporter flitzen auf den Bundesstraßen. Im letzten Jahr war dieser Typ Auto an 18855 Unfällen beteiligt, bei denen auch Personen verletzt oder gar getötet wurden. Bei fast 12000 der Crashs waren die Transporter-Fahrer schuld und sind damit Unfallverursacher Nummer 1. Bei jedem fünften Unfall auf der Autobahn waren die Transporter schneller als 130 Kilometer in der Stunde (km/h) gefahren. Alarmierend, befand der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) und erstellte im neu gegründeten Verkehrstechnischen Institut eine Studie, in der 608 Kleinlasterunfälle mit schweren Personenschäden, die sich 2001 in Bayern ereignet hatten, analysiert wurden. Die Unfallforscher ermittelten den Hergang sowie die Ursachen und erarbeiteten konkrete Gegenmaßnahmen.
Dieter Anselm, Vorsitzender der Schadenverhütungskommission im GDV, erklärte den Boom der Kleintransporter, die mit dem guten alten VW-Bus nicht mehr viel gemein haben. »Die neuen Autos haben wesentlich mehr Motorleistung und können schneller größere Ladungen transportieren als noch ein Ford Transit.« Dies machten sich Speditionsunternehmen zunutze und setzen lieber mehrere kleine Autos als einen großen Lkw ein. Zumal die Minilaster noch weitere Vorteile haben. Auch wenn sie als Lkw und nicht als Pkw zugelassen sind, benötigt man für sie nur die Führerscheinklasse B. Sonntägliche Fahrverbote, Pausenzeiten, besondere Überholverbote und weitere Einschränkungen, die bei Lkw gemacht werden, gelten für sie nicht. Auf der Autobahn gilt für sie eine Richtgeschwindigkeit von 130 km/h, außerorts dürfen sie Tempo 100 fahren. Nutzer von Kleintransportern müssen zudem nur ein Fahrtenbuch führen; sie haben keine Tachographenpflicht wie Lkw.
Besonders die hohe erlaubte Geschwindigkeit ist dem GDV ein Dorn im Auge. Der Verband fordert ein gesetzliches Tempolimit für Kleintransporter auf Autobahnen von 120 km/h. Im Idealfall soll das technisch durchgesetzt werden, nämlich per Eingriff in die Motorenleistung. Aus der Studie geht hervor, dass Transporter, die langsamer als 120 km/h gefahren und in einen Unfall geraten sind, sich weniger häufig überschlagen, weniger beschädigt und bei den Unfällen seltener Personen getötet werden. Zwei Drittel der Unfälle auf Autobahnen, fand das Institut heraus, hätten bei Geschwindigkeiten unter Tempo 120 gar vermieden werden können. Erstaunlich ist auch der Fakt, dass ein Kleintransporter, der 160 km/h fährt, dieselbe Bewegungsenergie hat wie ein 14-Tonner, der nur 80 km/h fährt. Viele Fahrer haben bei hohen Geschwindigkeiten ihre voll beladenen Autos nicht mehr unter Kontrolle. Ist die Fracht auch noch ungesichert, kann das bei einem Aufprall tödlich enden. Desweiteren fordert der GDV, dass die Sozialvorschriften wie die gesetzlichen Lenk- und Ruhezeiten bei Lkw auch für die Transporter gelten, das heißt nach viereinhalb Stunden Fahrt mindestens 45 Minuten Pause.
Der Verband steht zudem in ständigem Kontakt mit den Herstellern der Transporter, um Sicherheitsstandards zu entwickeln. So lobte der GDV Mercedes. Das Unternehmen baut seit diesem Jahr serienmäßig ins Modell Sprinter das Elektronische Stabilitätsprogramm (ESP) ein, das besonders das Fahrverhalten in Kurven sicherer macht. Außer ESP gehören nach den Forderungen des GDV auch Sicherungssysteme für die Ladung in jeden Transporter.
Bereits im Januar 2002 hatte der Verkehrsgerichtstag dem Gesetzgeber empfohlen, die hohen Geschwindigkeiten der Kleintransporter zu begrenzen. Passiert ist seitdem nichts. Unterstützung erhofft sich der Verband durch die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), die derzeit ebenfalls an einem Forschungsbericht über die Unfallbeteiligung von Liefer- und Lastkraftwagen bis 3,5 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht arbeitet und dessen Ergebnisse auch in Gesetzesänderungen einfließen. Bis dahin dürfen die Kleinlaster ungehindert rasen.
www.gdv.de, www.bast.de
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