BERTOLT BRECHT: ein Fragment
Rosa Luxemburg
diese ist unfähig, an der seelischen erneuerung des volkes 1914 teilzunehmen, verkrüppelt, ausländisch, jüdisch, spinnig wie sie gebaut ist. (das Proletariat verläßt sie.) 1919: das große warten des Proletariats, der verrat. rede gegen die luxemburg in papierenen panzern die radikalinskis stürmend den mond und hissend auf trümmerhaufen die roten fahnen
luxemburg (episierung)
und die reiter des königs richteten ein blutbad an in der stadt und in allen Städten des landes und die männer verliefen sich, die häscher suchten nach den empörern und ergriffen rachel und warfen sie ins gefängnis. aber in der selbigen nacht kamen abgesandte ins gefängnis und überredeten die Wächter und gaben ihnen geld und führten rachel hinweg und brachten sie an die grenze, und es waren andere um sie, die auch gekämpft hatten im aufstand und als sie über die grenze kamen, waren sie niedergeschlagen und sagten: es ist alles verloren, und rachel fragte sie: was habt ihr gesehen?
eine gruppe von flüchtlingen, nahe der finnischen grenze, darunter die luxemburg. sie tragen handkoffer, trotten in schäbigen mänteln, es ist kalt. 1906. die meisten klagen über die verlorene revolution, R. L. analysiert sie. sie bringt viel mit zurück, ihr fehlt nur ein guter hut für die grenzwächter. die zukunft des Proletariats ist gesichert, die nächste halbe stunde ist unsicher, die bourgeoisie wird besiegt werden, nur die grenzwache ist gefährlich.
Auszug aus einem Rosa Luxemburg-Fragment von Bertolt Brecht, das anläßlich der „Fatzer“-Premiere am Berliner Ensemble seine Erstveröffentlichung erlebte: in der „Drucksache 6“, einer von Heiner Müller redigierten Schriftenreihe des Berliner Ensembles, die seit diesem Jahr die Inszenierungen des BE begleitet und im Alexander Verlag Berlin erscheint. Ebenfalls erstveröffentlicht wird im gleichen Heft ein Auszug aus dem „Tagebuch Brigitte E. 1945“, das sich auf tägliche Notizen stützt, die die Autorin, Jg. 1927, als Lehrmädchen in einer Berliner Konfektionsfirma in den Jahren 1943 bis 1950 in ihren Taschenkalender schrieb, um Stenografie-Übungen zu machen.
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