Stilbewusst

Reinhard Jirgl

  • Lesedauer: 2 Min.
Der Schriftsteller aus Berlin hat am Samstag in Darmstadt den Kranichsteiner Literaturpreis erhalten. Foto: Archiv
Natürlich ist ein Literaturpreis auch eine Auszeichnung. Aber mindestens ebenso wichtig ist, dass die Ehrung einem Schriftsteller Geld zum Leben verschafft. Damit nicht das Pekuniäre sein Schreiben bestimmt oder er sich gar vom Schreibtisch wegstehlen muss, zum Broterwerb. Mit der Verleihung des mit 20000Euro dotierten Kranichsteiner Literaturpreises an Reinhard Jirgl hat der Deutsche Literaturfonds ein Zeichen gesetzt: für literarischen Anspruch, der einer wie auch immer gearteten Subventionierung bedarf, weil er nicht marktgängig ist. Ins dumpfe Gesetz, dass nur die Produktion von gut Verkäuflichem lohnt, ist ein Lichtspalt gebracht. Ein kleines Trotz-Alledem angesichts der verbreiteten Praxis, Kulturelles in Effizienzrechnungen zu ersticken. - Kunst muss man sich leisten. Wer will, der kann. Reinhard Jirgl, geboren 1953 in Berlin /DDR, lernte Elektromechaniker, studierte Elektronik und arbeitete als Ingenieur, ehe er als Beleuchtungstechniker zur Volksbühne ging. Nebenbei schrieb er: sechs unveröffentlichte Bücher zu DDR-Zeiten. Er gab sie zur Publikation auch nicht in den Westen; hier wie dort wollte er nicht Höfling sein. Erst nach 1990 beginnt die Reihe seiner Veröffentlichungen: »Mutter Vater Roman«, »Das obszöne Gebet. Totenbuch«, »Abschied von den Feinden«. »Hundsnächte«, »Genealogie des Tötens«, »Die Unvollendeten«, um nur einige seiner Werke zu nennen. Ein nachdenklicher, ernster Schriftsteller, der seinen Lesern nicht entgegengeht. Zu sagen, er experimentiere mit Sprache, hieße ihn unterschätzen. Denn er setzt Sprache sehr bewusst und stilsicher ein, nur eben nicht so, wies der Leser gewohnt ist. Kompromisslos-kunstvolle Texte, die rigoros, ja zornig, alles entzaubern, was den Anschein einer Idylle erwecken könnte. Bilder einer aus den Fugen geratenen Welt, in der es immer wieder nur um mörderische Machtspiele geht, so dass Wohlfühl-Räume für den Einzelnen lediglich als Illusionen denkbar sind. Aber der Autor geht ja gerade gegen Illusionen an. Dabei sind die meisten Leser doch selber müde und getrieben. Sie suchen Unterhaltung oder wenigstens einen kleinen Quell von Kraft. Bei Jirgl aber kann nicht konsumiert, es muss investiert werden: allein schon in das sprachliche Verstehen und dann vor allem in die Akzeptanz und Verarbeitung jenes Weltgefühls, das in den Texten ist. (Denn es ist ein Gefühl, ein weggesperrtes, verletztes). Schmerz als der Boden für große Literatur. Irmtraud Gutschke
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