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Drehorgelbauer

  • Lesedauer: 2 Min.

AXEL STUBER

„Wir legen viel Wert auf Tradition“, sagt Axel Stüber (39), der letzte Drehorgelbauer Berlins, und ergänzt: „Elektronik kommt bei uns in keinster Weise in Frage!“

Die kleine Hinterhofwerkstatt der Firma „Niemuth & Stüber“ in der Friedrichshainer Schreinerstraße 10 ist zum begehrten Anlaufpunkt nicht nur für Berliner Leierkastenmänner geworden. Neben der Herstellung von „richtigen“ Kirchenorgeln befaßte sich der gelernte Orgelbauer Axel Stüber seit vielen Jahren' nebenbei mit der Reparatur von Drehorgeln.

„1990 setzte ich mich mit dem bekannten Drehorgelspieler und -Sammler Kurt Niemuth aus Zehlendorf zusammen. Seine unschätzbaren praktischen Erfahrungen und meine handwerklichen Kenntnisse ermöglichten es uns, über Reparaturen hinaus Drehorgeln weiterzuentwickeln und neu zu bauen.“ Dabei werden nur konventionelle Materialien wie einheimische Hölzer (Birne, Erle, Pappel), hochwertiges Zickelleder und Knochenleim verwendet, um den weichen und flie-ßenden, sogenannten „Berliner Klang“ zu erzeugen. Selbst in geschlossenen Räumen darf die Drehorgel nicht „nerven“ Anstelle der Bambusrohrpfeifen wird meist stimmstabileres Messingrohr eingesetzt. Nußbaumintarsien verzieren die Fassade der tönenden Kunstwerke.

„Für die kleinste Drehorgel mit 20 Tonstufen benötigen wir etwa 100 Werkstattstunden. So ein Einzelstück kostet, je nach Ausführung, um die 5000 DM“, erzählt Axel Stüber. Für größere Exemplare mit beispielsweise 42 Pfeifen muß man etwa 46 000 DM berappen. Zur Zeit gibt es in Berlin

fünf professionelle Spieler, die mit Drehorgelmusik ihre Brötchen verdienen, und an die 80 Hobbymusiker, die selbst einen Leierkasten besitzen und ab und zu „auf Walze“ gehen. „Spätestens seit dem italienischen Drehorgelbauer Bacigalupo, der seine Werkstatt in der Schönhauser Allee 78 hatte, ist Berlin zur Drehorgel-Hochburg geworden. Es wäre doch traurig, wenn diese schöne Tradition aussterben würde“, meint Stüber. Die detailgetreue Handwerkskunst des letzten Berliner Drehorgelbauers hat sich selbst bis Amerika und Japan herumgesprochen, wo man sich besonders an dem typischen Klang der alten Drehorgel erfreut.

Übrigens kann man sich für Hochzeiten, Jubiläen, Geburtstage und Partys bei der Firma „Niemuth & Stüber“ einen Leierkasten für 100 DM pro Tag ausleihen. Soll der Drehorgelspieler gleich mit ins Haus kommen, wird es etwas teurer. Für alle Fans der kleinen, tönenden Wunderwerke noch ein Tip: Vom 30. 6. bis 3. 7 '94 feiert man in Köpenick großes Drehorgelfest. Text und Fotos:

BERND FRIEDEL

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