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Berliner Molkenmarkt nimmt Form an
Senat stellt Leitlinien für das neue Stadtquartier in Mitte vor. Baubeginn für 2027 geplant
Den Molkenmarkt dürften die meisten Berliner*innen vornehmlich aus der Zeitung kennen. Denn das Gelände hinter dem Roten Rathaus in Mitte ist bislang kein Ort, den man einfach so besucht. Technisch gesehen ist es der älteste Platz der Hauptstadt, praktisch aber vor allem Kreuzung, Baustelle und Unort. Das soll sich aber ändern: Denn das Molkenmarkt-Quartier mit einer Mischung aus Wohnen, Kultur und Gewerbe soll entstehen. Seit 2016 ist es geplant. Am Montag hat der Senat dem Stadtentwicklungsausschuss des Abgeordnetenhauses die Bebauungsleitlinien für einen Teil des Geländes vorgestellt.
Mit diesen Leitlinien will der Senat die grundlegende Struktur der künftigen Gebäude im nördlchen Teil des »Block B« genannten Abschnitts zwischen Grunerstraße, Molkenmarkt und Jüdenstraße definieren. »Es soll ein lebendiges Stadtquartier entstehen«, sagt Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD). Es soll sich im Bewusstsein der historischen Bedeutung entwickeln, ohne aber zu versuchen, »historisierend den alten Bestand wieder aufleben zu lassen«.
Der Senat hat abweichend von ursprünglichen Plänen die zulässigen Gebäudehöhen erhöht und Baugrenzen verschoben, wie Senator Gaebler erläutert. So soll mehr Wohnfläche entstehen. Geplant sind jetzt auf dem gesamten Gelände insgesamt rund 450 Wohnungen, gebaut vor allem von den landeseigenen Wohnungsunternehmen WBM und Degewo sowie der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. Nicht ohne Genugtuung sagt Senator Gaebler, dass klargestellt worden sei, dass es ein ökologisches und soziales Quartier werden solle – »entgegen Behauptungen, die in den vergangenen Jahren immer wieder wiederholt wurden«.
Matthias Grünzig von der Initiative Neue Mitte sagt, er sehe in einer vorläufigen Einschätzung »Licht und Schatten«. Die Initiative verfolgt das Ziel, dass keine landeseigenen Flächen privatisiert werden und dass bezahlbares Wohnen und bezahlbare Räume für Kunst und Kultur im Mittelpunkt der Entwicklung des Quartiers stehen. Dementsprechend begrüßt er, dass die Flächen von öffentlichen Akteuren entwickelt werden und dass mehr Nutzfläche entstehen soll. »Zusätzlicher Wohnraum ist auf jeden Fall sinnvoll.« Sorgen machen ihm aber die Gestaltungsvorgaben. Diese dürften nicht dazu führen, dass das Projekt teurer wird. »Günstige Baukosten sind essenziell.« Vielleicht könne man so auch die Mieten im frei finanzierten Bereich senken.
Die Hälfte der rund 200 von der WBM entwickelten Wohnungen werden Sozialwohnungen, so WBM-Geschäftsführer Lars Dormeyer. Das entspricht der Kooperationsvereinbarung zwischen Senat und den landeseigenen Wohnungsunternehmen. 30 Prozent mit einer Miete von sieben Euro, 20 Prozent mit einer Miete von 11,40 Euro. Im frei finanzierten Bereich geht die WBM für das avisierte Fertigstellungsjahr 2033 von einer Miete von rund 18 Euro pro Quadratmeter aus.
»Es soll ein lebendiges Stadtquartier entstehen.«
Christian Gaebler (SPD)
Senator für Stadtentwicklung
Was mit Sicherheit weiter für Diskussionenen sorgen wird, ist die Gestaltung der Fassaden. Darüber gibt es seit Jahren Auseinandersetzungen. Aus konservativen Kreisen war stetig eine Rekonstruktion des Viertels nach historischem Vorbild gefordert worden. Und zwar in kleinteiliger Bebauung. Linke, Grüne und Initiativen haben sich immer wieder dagegen gewandt und ein sozial-ökologisches Modellquartier gefordert. »Ich glaube, den allermeisten Berlinerinnen und Berlinern ist egal, wie die Fassade aussieht, sondern sie brauchen vor allem eine bezahlbare Wohnung«, sagt etwa Niklas Schenker, der stadtentwicklungspolitische Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus.
Aus den Regierungsparteien kommen andere Signale. »Ich hoffe, dass dieser Ort wirklich Vergangenheit und Zukunft Berlins widerspiegelt«, sagt etwa Christian Gräff, Sprecher für Stadtentwicklung der CDU. Und auch Senator Gaebler sagt, historische Elemente aufzunehmen, sollte zu einem bewussten Umgang mit Stadtgeschichte und Stadtentwicklung dazugehören. Aber auch: »Ich will keine Rekonstruktion.« Letztendlich wird diese Frage aber erst nach einem Architekturwettbewerb beantwortet werden können.
Spätestens 2027 sollen die Bauarbeiten beginnen. Das kann aber erst passieren, wenn die archäologischen Arbeiten, die aktuell auf dem Molkenmarkt stattfinden, fertig sind. In jedem Fall wird unabhängig von Fassaden die Berliner Geschichte Eingang ins Quartier finden. Denn ein Teil der Vorgaben in den Leitlinien sind »archäologische Fenster«. Mit ihnen sollen die archäologischen Funde dauerhaft sichtbar und begehbar erhalten werden.
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