- Politik
- Zur Sache Leipziger Wende: Weniger SED, mehr PDS
Wagenburg gesprengt
In einer emotionsgeladenen und streckenweise tumultartigen Sitzung haben Mitglieder der Leipziger PDS aus Rathausfraktion, Stadtvorstand und Basisorganisationen in Gegenwart des Landesvorsitzenden der Partei, Peter Porsch, am Dienstag abend den „schwächsten Großstadtverband“ (Porsch) einer schonungslosen Kritik unterzogen, weitergehende personelle Konsequenzen in Aussicht genommen und Vorbereitungen für einen Neuanfang getroffen. Die Presseerklärung des amtierenden Stadtvorstandes zum Rücktritt und Parteiaustritt des bisherigen Vorsitzenden Klaus Hesse wurde als „zu zahm“ angegriffen.
„Daß wir Klaus Hesse so lange ausgehalten haben“, so das Mitglied des Ortsvorstands Leipzig-Mitte, Matthias Rothe, müsse Anlaß scharfer Selbstkritik sein. Hesse habe „SED-ähnliche Schwerpunkte“ in seiner Arbeit gesetzt. Fraktionsmitglied Margitta Hollick plädierte leidenschaftlich für den „schnellstmöglichen Weg“, zu einem neuen vorzeigbaren Vorsitzenden zu kommen. Der jugendpolitische Sprecher des Stadtverbandes, Marko Forberger, und Dirk Kosanke von der AG Junge Genossinnen forderten in einem Papier die rasche Einberufung einer Stadtdelegiertenkonferenz und die Neuwahl des gesamten Stadtvorstandes. Als sich letzterer in Redebeiträgen zögerlich zeigte, kündigten mehrere junge Teilnehmer an, notfalls durch Aktionen eine solche Konferenz zu erzwingen.
Der bislang desolaten Öl fentlichkeitsarbeit des Stadi Verbandes soll die .Philps,o phin Monika Runge (43) eni
gegenwirken; sie wurde zur Pressesprecherin gekürt. Frau Runge, die zur SED-internen Opposition gehörte und nach Aktenlage der Staatssicherheit ohne Wende dem Berufsverbot anheimgefallen wäre, wird auch für die Hesse-Nachfolge kandidieren. Eine PDS-Stadtchefin Runge fände neben den Jungen Genossinnen Landesvorsitzender Porsch „toll“, der auch den Vorschlag machte, ihr sofort die Pressearbeit anzuvertrauen. Die AG Junge Genossinnen begrüßt Hesses Rücktritt und sieht endlich die Chance, „Menschen für das Projekt einer modernen linken Partei gewinnen“ zu können. Die erste ist die 22jährige Studentin Katlin Toth: „Mein Eintrittsmotiv war sein Austritt.“
Sollte es den viereinhalbtausend Leipziger Genossen in einer raschen wie radikalen Kraftanstrengung gelingen, endlich das „grandiose intellektuelle Potential der Stadt“ (Porsch) zu nutzen, wäre dies ein richtungweisendes Signal für die gesamte Sachsen-PDS. Denn daß sich die mitgliederstärkste Partei des Landes bisher als unfähig erweist, genügend Kandidaten für Landräte und Kreistage zu finden, demonstriert den Mangel an beherzter politischer Einmischung.
In Leipzig steht die mittelfristige Überlebensfähigkeit einer linken Alternative auf dem Spiel. Morgen sollen die Ortsvorsitzenden, so die amtierende Hesse-Stellvertreterin Christa Böttcher, über die Einberufung einer Basiskonferenz entscheiden. Monika Runge drängt auf eine Regelung aller personellen und inhaltlichen Fragen bis spätestens Mitte Mai. 0B-Kandidat Lothar Tippach soll einen festen Wahlkampfstab an die Seite bekommen - und SPD-OB Lehmann-Grube ablösen.
“MARCEL BRAUMANN
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