Von Prof. Dr. FRANZ NUSCHELER
Wenn Kriege, Gewaltstrukturen, Massenelend und armutbedingte Umweltzerstörung generelle Ursachen der Migration sind, dann kann ihnen nur durch eine präventive Friedenspolitik und eine armutsorientierte Entwicklungspolitik begegnet werden. Diese These vertrat Prof. Dr. Franz Nuscheler auf der am Sonntag beendeten Berliner Konferenz „Migration, Flucht und gesellschaftlicher Wandel“. Nachfolgend Auszüge aus dem Vortrag des Dortmunder Wissenschaftlers, der sich u. a. mit der Herausgabe des achtbändigen Handbuchs Dritte Welt einen Namen machte.
anschreitende Desertifikation, nach allen Prognosen zu einer hauptsächlichen Schubkraft der Landflucht und auch grenzüberschreitenden Migration werden wird, dann muß drittens „nachhaltige Entwicklung“ von einem Schlagwort in Politik umgesetzt werden. Wir wissen längst, daß auch der Weltmarkt wesentlich an diesem Zerstörungswerk beteiligt ist. Beispiel: Die Umwandlung in Südbrasilien von Mischkulturen in mechanisierte Soja-Monokulturen ist nicht nur ökologisch fatal, sondern
hat auch Millionen von Kleinbauern vom Land in die Hoffnungslosigkeit der Städte vertrieben. Die „Religion“ der Weltbank (Wachstum und Weltmarktintegration) fördert trotz aller ökologischen Kosmetik nicht die „nachhaltige Entwicklung“
Viertens stellte der Weltbevölkerungsbericht 1993 wohl zutreffend fest, daß nicht so sehr das Wohlstandsgefälle, sondern Arbeitslosigkeit Menschen zur Migration treibt. Die Entwicklungspolitiker sollten weniger auf die Weltbank und
mehr auf die ILO hören, die schon seit den 70er Jahren einen arbeitsorientierten Entwicklungsweg („Entwicklung durch Arbeit“) propagiert. Die Schaffung von Arbeitsplätzen wäre die wirksamste Prävention gegen Migration. Nach Schätzungen der ILO müßten in den 90er Jahren in der Dritten Welt 230 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um nur die neu hinzukommende Erwerbsbevölkerung beschäftigen zu können.
Notwendig ist fünftens ein globaler Solidarpakt, wie ihn der Human Development Report 1994 anmahnt, der durch eine Weltsozialpolitik das migrationsfördernde Wohl-
standsgefälle zu verringern versucht. Wer vorgibt, mit Entwicklungshilfe die Fluchtursachen bekämpfen zu wollen, kann sich dem Versprechen, mindestens 0,7 Prozent des BSP dafür aufbringen zu wollen, nicht ständig mit dem Hin-
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