Claudia Nolte betreibt Augenauswischerei
Ministerin schrieb für Jugendkalender mit rechtsradikalem und chauvinistischem Inhalt
Berlin (ND-Nehring). Als Claudia Nolte noch keine Ministerin war, konnte sie frisch, frei und überall das sagen und schreiben, was sie wirklich denkt, zum Beispiel im Komm-mit-Jugendkalender 1994 des privaten Münsteraner Verlegers Günther Stift. Jetzt will sie nichts mehr davon wissen, denn sie kann nicht vertuschen, daß sie sich in einem Umfeld bewegt, in dem rechtsextreme Positionen nichts ungewöhnliches sind. Darauf haben Kollegen der ARD am Dienstag noch einmal aufmerksam gemacht. Die Ministerin ist ernsthaft, verärgert.
Im April dieses Jahres wandte sich das Bischöfliche Generalvikariat Trier an die Öffent-
lichkeit, weil sich Jugendliche über den Komm-mit-Kalender beschwert hatten. Darin heißt es: „Ostdeutschland (Schlesien, Pommern, Ostpreußen) gehört völkerrechtlich nach wie vor zu Deutschland, unabhängig davon, ob die offizielle Politik sich daran orientiert.“ Im Kalender werden rechtsextreme Blätter wie „Nation und Europa“ und „Junge Freiheit“ als Lektüre angepriesen. Unkommentiert wird das Deutschlandlied in allen drei Strophen abgedruckt. Die früheren deutschen Ostgebiete werden als polnisch und russisch besetzt bezeichnet. Seit Jahrzehnten bestellen mehr als 1000 katholische Pfarreien diesen Kalender als Geschenk für die
Meßdiener, übrigens trotz des Trierer Protestes auch für 1995 wieder.
In diesem Kalender ist auch ein Brief von Claudia Nolte zum-Thema Abtreibung abgedruckt unter der Überschrift „Deutschland einig Töterland“ Sie schrieb an den Verleger, daß es ihr imponierte, „wie Sie jungen Menschen christlichkatholisches Gedankengut nahebringen“ und forderte dazu auf, sich dafür einzusetzen, die Menschen für den Lebensschutz zu sensibilisieren. Nolte redet sich jetzt heraus, daß sie den Kalender nicht gekannt habe. In der 94er Ausgabe schreiben jedoch die Redakteure, daß Nolte bereits zwei
Jahre zuvor einen „netten Brief“ an Komm mit geschrieben hatte. So unbekannt scheinen der Verlag und der seit 40 Jahren existierende Kalender in einigen erzkatholischen Pfarreien und Familien also nicht zu sein. Wenn die Ministerin in einer Pressemitteilung am Dienstag vorgibt, sie habe nichts mit rechtsextremen Positionen zu tun, betreibt sie Augenauswischerei. Seit langem ist nachgewiesen, daß die radikale Lebensschutzbewegung, in der sich Nolte aktiv engagiert, mit Gruppen eng verwoben ist, die rechtsradikale und rassistische Hintergründe haben. Der Kalender zeigt es.
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