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Was sind Unwörter?
Interview mit Prof. H. D. SCHLOSSER
Prof. Dr. Horst Dieter Schlosser von der Goethe-Universität Frankfurt/ Main hat 1991 die Aktion „Unwort des Jahres“ ins Leben gerufen. Seine Devise: Sprache enthüllt Denkmuster.
wurden, das kann ich hier wirklich nicht begründen.
Wie wird denn nun das „Unwort des Jahres“ ermittelt? Trifft sich die Jury und diskutiert das aus?
In der Jury sind vier Sprachwissenschaftler, darunter auch eine Professorin aus Zittau. des
weiteren eine ZDF-Journalistin und Friedrich Schorlemmer, den Sie ja kennen. Schön wär^s, wenn wir uns treffen könnten, aber wir haben leider kein Geld. Wir haben alles per Brief, Telefon oder Fax gemacht. Jeder kann aus allen Vorschlägen zehn auswählen. Die Entscheidung erfolgt dann nach einem Punktesystem.
Haben Sie selbst für „Peanuts“ votiert?
Das werde ich Ihnen nicht verraten. Aber ich weiß aus eigener Erfahrung, daß dieser Begriff in Bankerkreisen relativ oft benutzt wird. Wie der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, Hilmar Kopper, damit einen 50-Millionen-DM-Verlust kommentierte, das offenbart kaltschnäuzigen Umgang mit fremdem Geld, mit Problemen anderer Schlimm finde ich da auch den Begriff „Schalterhygiene“, der sich ge-
gen Bankkunden richtet, die ohne genügenden finanziellen Hintergrund ein Konto eröffnen wollen. Wir spießen als „Unwörter“ im Grunde nur beispielhaft Entgleisungen auf.
Welchen Effekt versprechen Sie sich? Daß solche „Unwörter“ dann öffentlich geächtet sind?
Vom Hessischen Rundfunk habe ich gehört, daß es dort einen entsprechenden Aushang gegeben hat. Umgekehrt kam auch die Äußerung eines rechtsextremen Hetzblattes in meine Hände, daß man dort den Begriff „Überfremdung“ -„Unwort des Jahres“ 1993 nun erst recht gebrauchen wolle.
Sind Ihnen bei Ihren Recherchen Unterschiede im Sprachgebrauch Ost und West aufgefallen?
Die Unwort-Suche hat deutlich gemacht, daß die Menschen in den östlichen Bundesländern unter Demütigungen leiden, die sich auch sprachlich äußern. „Dunkeldeutschland“, „Buschzulage“ oder „Freisetzung“ sind Beispiele dafür.
Interview: I. GUTSCHKE
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