Nursultan Nasarbajew wagt Meisterstück
Der Präsident Kasachstans verbleibt vorerst allein an der Spitze - ohne Parlament
Von KLAUS J. HERRMANN, Moskau
Für Kasachstan sollte 1995 zum Jahr der wirtschaftlichen Stabilisierung und des Aufschwungs werden. Doch zunächst ist die Republik in eine politische Krise gerutscht. Erst im Oktober 1994 hatte ein mit dem Reformtempo unzufriedener Präsident Nursultan Nasarbajew den Premier zum Rücktritt gedrängt. Im März 1995 ist Nasarbajew sogar allein auf dem politischen Olymp. Das Parlament ist als „verfassungswidrig“ erkannt, die Regierung entlassen.
Vorausgegangen war ein Spruch des Verfassungsge--riehjts: Am 6 »-Mfrz. erkannte ?' es auf ernste Verstöße' bei der ?Auszählung der ? v Parlaments-
wahlen vom 7 März 1994 und bei der Bestimmung der Wahlkreise. Schon vor einem Jahr hatte die staatliche Wahlkommission Streit mit internationalen Beobachtern über die Korrektheit des Urnengangs. Alma Ata beteuerte jedoch trotz „einzelner Probleme“ Gesetzestreue im ganzen. Dabei waren nach verbreiteter Ansicht der Wahlkampf zu kurz, die gesetzlichen Grundlagen unvollkommen, die Kandidaten bei der Registrierung nicht gleichberechtigt. Viele oppositionelle Bewerber waren zurückgewiesen worden.
Der Präsident leistete sich sogar einen - freilich abgewiesenen - Protest gegen den Richtersprußlirynd forderte Er-» läüterüngen.- Dabei wollte er offenbar nur noch einmal be-
stätigt haben, daß das Parlament aufzulösen und alle Beschlüsse für ungültig zu erklären seien, bevor er zur Tat schritt. Als einzigen wirksamen Entscheid des Hohen Hauses bekräftigte er den, der dem Präsidenten Zusatzvollmachten einräumte.
Nasarbajew hat seinen Pelz gewaschen, ohne sich naß zu machen. Er zeigte sich unwillig, die Folgerungen aus dem Gerichtsbeschluß zu vollstrekken und kann trotzdem unschuldig den Neuanfang wagen, an dem er zweifellos interessiert ist. Schließlich hatte er die alte Regierung geschaßt, weil sie ihm die Reformen zu träge betrieb. Der Ex-Premier wiederum-fflclagte^im gleichen-Sinne' über das'Parlament: Statt den Reformen gesetzliche
Karikatur: Harald Kretzschmar
Grundlagen zu geben, würden die Abgeordneten mehrheitlich „offen gegen die Wirtschaftsstrategie opponieren, Spielraum und Macht der Regierung beschränken, finanzielle und ökonomische Aktivitäten gezielt stören“
Der Präsident treibt ein zwar anscheinend sauberes, aber gefährliches Spiel. Unter „Achtung der Verfassung“ will er aus der Krise herauskommen. Das wäre nach den Erfahrungen russischer Parlamentarier mit Jelzins Panzern vergleichsweise ein politisches Meisterstück. Die erste wichtige Reaktion war ein Dementi, das für das Gelingen des Drahtseilaktes spricht: Aus Alma Ata verlauteter- die - Abgeordneten hätten sich -nicht in. ihrem Gebäude verbarrikadiert
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