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  • Kultur
  • Kirgistan: 10OO-Jahr-Feier für das Heldenepos „Manas“

Das längste Epos der Welt

  • Lesedauer: 3 Min.

Lange vor Dschingiz Khan waren die kirgisischen Nomaden in den zentralasiatischen Steppen eine Macht. Geführt wurden sie von dem legendären Helden Manas, einem mächtigen Rächer auf einem geflügelten Pferd, der alle Feinde seines Volkes geschlagen habe. Manas gilt als der Einiger der „vierzig Stämme“, wie die Übersetzung des Wortes „Kirgis“ lautet.

Diese Heldentat bildet den Mittelpunkt des Epos „Manas“, der nach Nomaden mündlich überlieferten Geschichtsschreibung“ der Kirgisen. Es soll vor genau 1000 Jahren entstanden sein, so hat es jedenfalls die UNESCO festgelegt, die das Epos zum „kulturellen Monument von Weltbedeutung“ erklärt hat. Die junge Republik Kirgistan unter dem fast 7500 Meter hohen Pik Pobeda ergriff diese Gelegenheit, sich in diesem Sommer als Kulturhochburg zu präsentieren.

So wurde vergangenen Dienstag in der Hauptstadt Bischkek ein zehntägiges Manas-Festival eröffnet. Dessen künstlerischer Direktor, Bolot-*bek Schamschijew, erklärte,

das Ereignis werde beispiellos für die Geschichte Kirgistans sein und selbst den Olympischen Spielen Konkurrenz machen. Um die Besucher unterzubringen, wurde ein riesiges Lager errichtet - aus Einzelund Doppeljurten für Ausländer und 5- bzw. 10-Mann-Militärzelten für die Kirgisen.

Dabei hat Schamschijew kaum übertrieben. Vor den Staatsoberhäuptern der sechs Turk-Staaten - Usbekistan, Turkmenistan, Kasachstan, Aserbaidshan, Türkei und Kirgistan - und Tausenden Besuchern führten 5000 Schauspieler und 1000 Reiter in historischen Kostümen Szenen aus dem Heldengesang auf. Um einen Ail, ein Nomadendorf, finden Rezitationswettbewerbe und Theateraufführungen ebenso statt wie Wettkämpfe in den traditionellen Sportarten des Landes: Ringen zu Pferde und zu ebener Erde, kirgisisches Polo, Wettrennen aller Art, Gewichtheben, Stangenklettern - wobei ein Goldnugget der Preis ist- und selbst ein Wettbewerb, bei dem Männer eine Frau umwerben müssen, um sie zu heiraten.

Höhepunkt war allerdings das längste Pferderennen der Welt, das über 1640 Kilometer von der Türkei durch Iran, Turkmenistan und Usbekistan nach Talas in Kirgistan, dem Geburtsort Manas', führte. Etwa 1500 Reiter mit je zwei Pferden hatten sich Ende Juli auf den Weg gemacht, der in 20 Renn- und zehn Ruhetagen bewältigt werden mußte und am Eröffnungstag des Kulturfestivals endete. Der Sieger hatte einen Preis von 750 000 Dollar zu erwarten. Aber auch bei diesem Rennen stand das Manas-Epos im Mittelpunkt: an allen Haltepunkten wurden Szenen daraus aufgeführt.

Mit diesem gigantischen Festival lebt eine Tradition wieder auf, die in der Sowjetunion teilweise mit Mißtrauen betrachtet wurde. In den dreißiger Jahren hatte die KPdSU an dem Werk bemängelt, daß „die zahlreichen Schilderungen von Kriegen und Schlachten zwischen asiatischen Stämmen die Völkerfreundschaft“ und die „Entwicklung des Internationalismus“ schwächten. Erst zu Perestroika-Zeiten kam es wieder zu Ehren.

THOMAS RUTTIG

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