Definitionen und Begriffe im Insolvenzverfahren

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Im Insolvenzverfahren werden fachjuristische Begriffe verwandt, die sich aus der Umgangssprache nicht erschließen lassen. Ohne sie ist aber häufig nicht zu verstehen, was Gerichte, Insolvenzverwalter oder Anwälte wollen oder mitteilen. Daher soll nachfolgend ein kurzer Überblick über die wichtigsten Begriffe gegeben werden.
Insolvenzverfahren
Es werden drei Arten von Verfahren unterschieden. Verbraucherinsolvenzverfahren und Verfahren über bestimmte Vermögensmassen wie über den Nachlass oder das Gesamtgut einer Gütergemeinschaft werden nur unter bestimmten Voraussetzungen durchgeführt. Alle anderen Verfahren werden als Regelinsolvenz bezeichnet. Das Gesetz regelt detailliert den Beginn, die Durchführung und das Ende der Verfahren und das Verhalten der Beteiligten.

(Insolvenz)Schuldner
Als Insolvenzschuldner werden diejenigen natürlichen Personen, Personen- oder Kapitalgesellschaften bezeichnet, über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren vor Gericht beantragt und ggf. durchgeführt wird. Bei einer GmbH ist die Gesellschaft Schuldner und nicht der beantragende Geschäftsführer.

(Insolvenz)Gläubiger
Insolvenzgläubiger sind alle Gläubiger, die zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Geld- oder in Geld umzuwandelnde Forderung gegen den Insolvenzschuldner haben. Die Rechte dieser Gläubiger werden mit Antrag auf Durchführung des Verfahrens automatisch stark eingeschränkt und zwar auch, wenn sie gar keine Kenntnis von dem Verfahren haben.
Von dieser Regel gibt es gravierende Ausnahmen für zwei Gruppen bevorrechtigter Gläubiger, die bereits vor dem Verfahren so genannte insolvenzfeste Rechte ergattert haben.
Praktisch ohne Wert sind dagegen die Forderungen der nachrangigen Gläubiger, die Zinsforderungen nach Eröffnung des Verfahrens, Kosten- oder Rückerstattungsforderungen für eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen haben.

Bevorrechtigte Gläubiger
Haben Gläubiger in ihrem Eigentum stehende Sachen dem Schuldner überlassen, z.B. durch Miete, Leasing, Leihe oder Waren an ihn unter Eigentumsvorbehalt geliefert, können sie deren Herausgabe fordern. Sie haben ein so genanntes Aussonderungsrecht. Der Verwalter hat bezüglich dieser Gegenstände kein Verwertungsrecht. Die Aussonderungsberechtigten werden daher auch nicht als Insolvenzgläubiger behandelt. Sie haben es im Fall einer Insolvenz am besten.
Eine sehr günstige Position wird im Verfahren auch den Insolvenzgläubigern eingeräumt, die zum Kreis der Absonderungsberechtigten gehören. Dazu gehören Gläubiger, denen ein Grundpfandrecht (Grundschuld, Hypothek), Sicherungseigentum, ein erweiterter oder verlängerter Eigentumsvorbehalt oder ein Pfandrecht (z.B. Vermieterpfandrecht) eingeräumt oder Forderungen zur Sicherheit abgetreten wurden. Sie können die Verwertung der betreffenden Gegenstände oder Forderungen verlangen und müssen dafür lediglich einen Verwaltungskostenbeitrag von 9Prozent vom Erlös an die Masse entrichten.
Die Rechte dieser bevorrechtigten Gläubiger schmälern naturgemäß die Masse erheblich.

Insolvenzforderung
Die Forderung eines Insolvenzgläubigers wird zu einer Insolvenzforderung, wenn er sie in der vorgeschriebenen Form beim Insolvenzverwalter anmeldet. Sie bleibt zunächst auch Insolvenzforderung, wenn der Insolvenzverwalter ihre Begründetheit vorläufig bestreitet.
Um eine Gesamtübersicht über die Forderungen der Gläubiger zu erhalten, werden noch nicht fällige Forderungen als fällig behandelt, Nichtgeldforderungen auf bestimmte Geldbeträge umgerechnet, ausländische Währungen nach Kurswert umgerechnet, Ratenzahlungen zusammengezogen, wiederkehrende Leistungen geschätzt usw.
Die Insolvenzforderung verschafft dem Gläubiger dann in der Gläubigerversammlung bestimmte Mitwirkungsrechte.

(Insolvenz)Masse
Als Masse wird das gesamte Vermögen des Schuldners verstanden, das ihm zum Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens gehört, einschließlich des ausländischen Vermögens und das er während des Verfahrens erlangt, z.B. aus laufenden Arbeitseinkünften, durch Erbschaft oder Schenkung. Nicht zur Masse gehört das unpfändbare Einkommen und die unpfändbaren Gegenstände des Schuldners. Deckt die Masse nicht einmal die Kosten des Verfahrens und die Masseverbindlichkeiten der Massegläubiger, wird die Eröffnung oder die weitere Durchführung eines Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt.

Masseverbindlichkeit, Massegläubiger
Das Verfahrensziel, eine möglichst große verteilbare Masse zu haben oder das Unternehmen fortzuführen, kann meist nur erreicht werden, wenn die Geschäfte, vor allem wenn sie Gewinn erbringen, weitergeführt werden. Dazu wäre aber kein Gläubiger bereit, wenn er dann nur eine wertlose oder stark wertgeminderte Insolvenzforderung erhielte. Deshalb erhalten Geschäftspartner, die Verpflichtungen erst nach Eröffnung des Verfahrens eingehen oder auf Forderung des Insolvenzverwalters erfüllen, den vollen Preis für ihre Leistungen, ebenso wie diejenigen, die der Insolvenzverwalter zur Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Masse heranzieht, z.B. Auktionshäuser u.ä.
Die Forderungen dieser Neugläubiger (Massegläubiger) werden als Masseverbindlichkeiten bezeichnet. Sie sind nach den Gerichtskosten sowie der Vergütung und den Auslagen des Verwalters vorab voll aus der Masse zu befriedigen. Sie sind keine Insolvenzforderungen.
Anders wäre auch die Erfüllung eines Vertrages oder die Fortführung des Unternehmens nicht denkbar. Es ist daher immer zwischen der alten Welt bis Antragstellung und der neuen Welt danach zu unterscheiden.

Masseunzulänglichkeit
Deckt die Masse zwar die Verfahrenskosten, nicht aber die sonstigen Masseverbindlichkeiten, kann der Verwalter zur Begrenzung seines Risiko bei der Weiterführung des Verfahrens die Masseunzulänglichkeit anzeigen. Das bedeutet, Gläubiger haben keine Quoten zu erwarten.

Insolvenzverwalter
Das Insolvenzverfahren wird durch einen mit umfassenden Vollmachten versehenen Verwalter durchgeführt, der zunächst vom Gericht eingesetzt wird und während des Verfahrens unter dessen Aufsicht steht. Die Gläubiger können jedoch einen anderen ihnen geeigneter erscheinenden Verwalter wählen.
Um sich einen Überblick zu verschaffen und vorläufige Sicherungsmaßnahmen durchzuführen, insbesondere das Unternehmen fortzuführen, wird häufig nach Stellung des Insolvenzantrags zunächst ein vorläufiger Verwalter eingesetzt. Ohne diese Zwischenlösung wäre eine später zu treffende Entscheidung über die Fortführung des Unternehmens praktisch nicht realisierbar. Ein Unternehmen, das seine laufenden Geschäfte unterbricht, erleidet am Markt einen Schaden, von dem es sich nur schwerlich erholen wird.
Erscheint ein schnelles Handeln nicht erforderlich, z.B. weil die Geschäfte bereits eingestellt wurden, bestellt das Gericht lediglich einen Gutachter, der hauptsächlich zu prüfen hat, ob die für die Durchführung des Verfahrens erforderlichen Kosten aus der Masse bezahlt werden können.

Gläubigerversammlung
Zum festen Bestandteil des Insolvenzverfahren gehören Gläubigerversammlungen. Sie werden vom Gericht und auf Antrag, u.a. von Gläubigem, einberufen. In ihnen kann Einfluss auf den Gang des Verfahrens genommen werden. So kann der eingesetzte Verwalter abgewählt, ein Gläubigerausschuss eingesetzt oder die Erarbeitung eines Insolvenzplanes durch den Verwalter gefordert werden. Entschieden werden kann ebenso über die Fortführung oder Schließung des Geschäftsbetriebes und es kann die Zustimmung zu wichtigen Geschäften versagt werden.
Stimmberechtigt sind die nicht nachrangigen und die absonderungsberechtigten Gläubiger. Die Stimmengewichtung ergibt sich aus der Höhe der Forderung. Beschlossen wird mit der Mehrheit der anwesenden Forderungen. Daher haben die Gläubiger mit den höchsten Forderungen auch den größten Einfluss.
Gewöhnlich finden mindestens drei Versammlungen statt, ein Berichtstermin, in dem der Verwalter einen Überblick über das Verfahren gibt, ein Prüfungstermin, in dem die angemeldeten Forderungen der Gläubiger erörtert und ggf. festgestellt werden, und ein Schlusstermin, in dem über die Verteilung der Masse und die Schlussrechnung des Verwalters beraten wird. Die Termine werden öffentlich bekannt gegeben, die beiden ersten meist bereits im Eröffnungsbeschluss des Gerichts.

Planverfahren, Eigenverwaltung
Diese beiden Varianten der Regelinsolvenz wurden neu eingeführt. Beim Planverfahren handelt es sich um eine eigenartige Mischung von zwischen dem Schuldner und seinen Gläubigern ausgehandelten Vergleich und einem Zwangsvergleich, an den die nicht zustimmenden Gläubiger gebunden werden (ähnlich dem Schuldenbereinigungsplan in der Verbraucherinsolvenz). Die Abstimmung über den vom Schuldner oder Verwalter vorgelegten Vergleich (Insolvenzplan) erfolgt in Gläubigergruppen, z.B. Banken, Großlieferanten, Kleingläubiger, Arbeitnehmer.
Der Insolvenzplan umfasst Maßnahmen, weitere Kreditierung, Forderungsverzichte u.a., die der Abwicklung, Sanierung oder Weiterführung des Unternehmens dienen und Kontroll- und Mitwirkungsrechte der Gläubiger dabei sichern. Bei der Eigenverwaltung wird dem Schuldner die Durchführung des Insolvenzverfahrens übertragen.

Gläubigerausschuss
Zur Unterstützung und Überwachung des Insolvenzverwalters kann das Gericht oder die Gläubigerversammlung einen Gläubigerausschuss bilden. In ihm sollen die Gläubiger mit den höchsten Forderungen, Kleingläubiger und Arbeitnehmer, soweit deren Forderungen erheblich sind, vertreten sein. Mitwirken können auch Personen, die selbst keine Gläubiger sind.

Quote
Als Quote bezeichnet man den Bruchteil, den der einzelne Gläubiger aus der Masse erhält. Sie wird errechnet, indem die Gesamtforderung der Gläubiger mit der verteilbaren Masse ins Verhältnis gesetzt wird, z.B. Gesamtforderung 100000 Euro, Masse 3000 Euro = Quote 3 %. Ein Gläubiger mit einer Forderung über 1000 Euro erhält danach 30 Euro.

Prof. Dr. ARTHUR KÖHLER

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