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Gefestigte Demokratie

  • Frank Wehner
  • Lesedauer: 2 Min.

Jelzin und-der Westen sind sich wieder einmal einig: Die Wahlen in Rußland dürfen, auch wenn noch keiner deren Resultate richtig kennt, als ein Triumph der Demokratie gewertet werden. Nicht nur bewährt hat diese sich, sie ist sogar gefestigt und gestärkt.

Begeisternd war schon die Beteiligung. Zwar wäre man in Bonn starr vor Erschütterung, wenn zum Bundestagsurnengang nicht mehr erschienen, doch für die Russen hat es allemal gereicht.

Der Kurs, der unter dem Pseudonym .Reformpolitik “ gesteuert wird, erfuhr Bestätigung, obwohl für die Partei des Premiers kaum jeder zehnte Russe stimmte und die genehme Opposition ebenfalls bescheiden abgeschnitten hat. Macht nichts, es wird regiert wie bisher, und Jelzin denkt nicht daran zurückzutreten, was in jeder halbwegs entwickelten Demokratie sogar bei milderen Wahlergebnissen logisch wäre.

Und außerdem: Auch ein großer Sieg ist zu verzeichnen. Nicht gerade im riesigen Sibirien, da ging es übel aus. Aber im winzigen Tschetschenien entfielen auf Jelzins Mann 90 Prozent. Nur etwas störte dort. Granaten explodierten, und Maschinengewehre hämmerten.

Eine Minderheit der Nomenklatura, die ungerührt an der Regierung bleibt, und eine überwältigende Mehrheit, die unter Kriegsbedingungen gesichert wird - wenn das in Bonn. Paris und Washington als gefestigte Demokratie durchgeht, dann muß man sich im nachhinein noch fragen, warum sich die KPdSU einst mit Wahlen so schwer tat. Was der kranke Demokrat Jelzin kann, das hätte auch ein Breshnew im höchsten Stadium der Senilität gekonnt.

Nur honoriert hätte es ihm keiner. Denn Demokratie heißt im speziellen russischen Falle: Die Demokraten müssen herrschen. Unbedingt.

FRANK WEHNER

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