Sind so große Schuhe - zu viel Hände dran

»Der Spiegel« - Machtkampf oder nur ein Erbenstreit?

  • Hanno Harnisch
  • Lesedauer: 3 Min.
Zwei Jahre ist es her seit dem Tod von Rudolf Augstein. Zwischen seinen Erben und Gruner+Jahr ist jetzt ein Machtkampf um den »Spiegel« immer offenkundiger. »Wenn ich weg bin, bin ich weg«, so Augstein knapp ein Jahr vor seinem Tod. Auf der Trauerfeier im November 2002 überraschte seine Tochter, die erfolgreiche Journalistin Franziska Augstein, die 2500 Trauergäste mit einer nichtangekündigten Rede, aus der besonders ein Gedanke in Erinnerung blieb: Sie sprach vom »toten Löwen, dem die Hasen an der Mähne zupfen«. »Ein mutiger Auftritt«, so ihr Bruder Jakob, gleichfalls Journalist, der sich aber jetzt nur noch um die Belange seines kleinen aber feinen »Rogner&Bernhard« Buchverlages kümmert. Und um die Testamentsvollstreckung seines Vaters - im Auftrag seiner drei Geschwister. Vater Rudolf hatte 50 Prozent seines Verlages den Mitarbeitern geschenkt. Die andere Hälfte teilte er sich mit dem Verlagshaus Gruner+Jahr. So verfügt der Zeitschriftenmulti, der unter anderem den »stern« verantwortet, über eine Sperrminorität von 25 Prozent, da alle wichtigen Entscheidungen im »Spiegel« nur mit 76 Prozent gefällt werden können. Bei der Bestellung des Chefredakteurs reichen gar 75 Prozent, soweit Augstein zustimmte. Den heute noch amtierenden Stefan Aust hatte er auf diese Weise gegen den Willen der Redaktion durchgesetzt. Doch jetzt scheint es, dass der Name Augstein beim »Spiegel« bald keine Rolle mehr spielen soll: Die Kinder müssen - getreu einer Klausel, die es Augstein vor seinem Tod nicht mehr gelang, außer Kraft zu setzen - von ihren geerbten 25 Prozent je ein halbes an die Mitarbeiter KG und an Gruner+Jahr abtreten. Damit hätten sie kein Mitspracherecht mehr. Das Bundeskartellamt prüft im Moment, ob diese Reduzierung von drei auf zwei Gesellschafter genehmigungspflichtig sei. Zum Ende dieses Jahres läuft auch der Vertrag von Chefredakteur Stefan Aust aus. Wird er nicht bis dahin erneuert, verlängert er sich automatisch nur noch um ein Jahr. »Das käme einer Kündigung gleich«, so die »Frankfurter Rundschau«. Auch ein neuer Herausgeber des »Spiegel« ist nicht in Sicht. Aust schrieb nach dem Tod seines Förderers Augstein, »dass niemand in die Fußstapfen treten könne, weil sie für alle zu groß seien«. Die Mitarbeiterbeteiligung, die jedem Spiegel-Redakteur, der drei Jahre in der Firma ist, ein ordentliches Zusatzgehalt beschert, ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Auch die Konkurrenz durch den »Focus« hat dem »Spiegel« nicht wirklich geschadet. Doch jetzt hat Jakob Augstein - berechtigte - Angst um die Unabhängigkeit des »Spiegel«. In einem Interview für die »Welt am Sonntag« des ungeliebten Springer-Konzerns, sagte er, dass es »für die Medienvielfalt in Deutschland nicht gut ist, wenn ein Verlag die beiden großen Nachrichtenmagazine kontrolliert«. Zutreffend, aber kaum zu stoppen.
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