- Wirtschaft und Umwelt
- Das Thema Berlin: Bodenwert bestimmt Pachtzins
Abzocken auf Ost-Art beim Grundstück
Selbst den Ostdeutschen recht zugetane westdeutsche Beamte in ostdeutschen Regierungsstellen wollen von der Tatsache nichts wissen, daß hier eine Vertreibung von Grund und Boden übers Geld stattfindet. Sie halten bei dem heutigen Verständnis vom Wert einer Immobilie die Nutzungsentgelte für Erholungsgrundstücke für durchaus angemessen und auch noch steigerungsfähig. Das mag auf Grundstücke in abgelegenen Gebieten auch zutreffen, ohne Nutzer und Eigentümer in große Konflikte zu stürzen.
In Ballungszentren wie Berlin und anderen Großstädten mit ihren Speckgürteln jedoch werden die Wochenendgrundstücke in absehbarer x Zeit unbezahlbar. Erstens, weil zwei Drittel der Nutzer Rentner oder arbeitslos sind und also kein Geld mehr haben. Zweitens weil die Spekulation mit dem Boden dessen Wert und Preis in schwindelerregende Höhen treibt, was sich auch auf die Nutzungsentgelte auswirken soll.
Nicht nur private Alteigentümer versuchen, den Pachtzins in die Höhe zu treiben, sondern auch Kommunen sehen darin eine Quelle, ihre leeren Kassen zu füllen. So hat sich die Geschäftsstelle des Gutachterausschusses für Grundstückswerte in Berlin etwas Feines ausgedacht. Für die Errechnung des ortsüblichen Nutzungsentgelts für Erholungsgrundstücke legt sie den Bodenrichtwert zugrunde. Unser Leser Bernd G. forderte eine Begründung für die Verdoppelung des Pachtzinses für sein Grundstück in Berlin-Mahlsdorf. Ihm wurde vorgerechnet: Der Bodenwert dort beträgt 360 DM pro Quadratmeter, dies multipliziert mit der Größe des (nicht teilbaren) Grundstükkes von 1174 qm und vom Ergebnis zwei Prozent, ergibt die jährliche ortsübliche Pachthöhe von 8453 DM.
Wenn man bedenkt, daß sich die Bodenwerte stetig verändern - und zumeist nicht nach unten -, weiß Herr G., daß er sehr bald auf sein Grundstück verzichten muß, wenn er sich nicht wehrt. Da braucht es nicht einmal eine Kündigung. Die Zeit arbeitet gegen ihn. Das Beispiel steht für viele In Berlin und Brandenburg, in Leipzig und Umgebung...
Diese Art der Berechnung hat auch in der Nutzungsentgeltverordnung keine rechtliche Grundlage. Dort wird bestimmt, daß die Entgelte ortsüblich sind, die nach dem 2. Oktober 1990 in der Gemeinde oder in vergleichbaren Gemeinden für vergleichbare Grundstücke vereinbart wurden. Weil aber dem Berliner Gutachterausschuß keine entsprechenden verwertbaren Verträge vorliegen, stellt er fiktive Fragen nach dem „Was wäre, wenn...?“ und kommt auf die für die Stadt und die Alteigentümer höchst lukrative Bodenwertmethode, die Jahrespachten von 10 000 DM nicht unmöglich macht.
Selbst im Westen gibt es so etwas nicht. Nach Aussagen des Bundesjustizministeriums betrug dort das Jahresentgelt für Freizeitgrundstücke zwischen 0,80 und 1,20 DM je qm. Soll auch auf diesem Gebiet der Osten der Vorreiter für die ganze BRD werden?
Ludwig Erhardt soll einmal gesagt haben: Nur Eigentum gewährleistet persönliche Sicherheit und geistige Unabhängigkeit. Damit ist die gegenwärtige Gesellschaft sehr genau charakterisiert. So gesehen kann eigentlich niemandem übelgenommen werden, wenn er um Grundstück und Haus kämpft. Die Hand auf Grund und Boden zu haben ist die höchste Form von Eigentum, ganz egal, ob für den Privatmann oder die Kommune. Geld ist allemal wirksamer als Verordnungen.
ROSIBLASCHKE
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